Neuss "Tatort" wird auf Studio-Bühne seziert

Neuss · Mit Kai Wolters erstem Krimi "Tatort Oberstraße" gab es im Landestheater einen herrlich chaotischen Krimiabend.

 Tatort als Bühnenspaß: Sebastian Zarzutzki, Anna Dreher, Stefan Schleue, Alina Wolff, Anna Lisa Grebe, Lutz-Steffen Orlet

Tatort als Bühnenspaß: Sebastian Zarzutzki, Anna Dreher, Stefan Schleue, Alina Wolff, Anna Lisa Grebe, Lutz-Steffen Orlet

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Mysteriöser Mord im Rheinischen Landestheater. Die Theaterleitung informiert die Polizei, dass es in ihrem Haus ein Tötungsdelikt gegeben habe. Zur Identität des Toten kann sie keine Angaben machen. Auch der Verbleib der Leiche ist unklar. Von ihr fehlt jede Spur. "Tatort Oberstraße" - die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.

Für seinen ersten Krimi am Rheinischen Landestheater (RLT) hat sich Autor Kai Wolters, der eigentlich Disponent und Referent der Theaterleitung ist, gleich an eine Ikone gewagt: den Tatort. Große Sonntagabend-Fernsehunterhaltung auf der kleinen RLT-Studiobühne genussvoll seziert.

"Wir erklären jetzt mal, wie der Tatort funktioniert", erläutert Alina Wolff. Sie gibt im Stück die Kommissarin. Caroline Engel heißt sie, ist aus der Pathologie in den Polizeidienst gewechselt. Sie trinkt gern, manchmal etwas zuviel. An ihrer Seite Harry König (Stefan Schleue), Sohn eines Kochs, Kommissaranwärter im vierten Jahr und ziemlich verklemmt. "Warum sind wir eigentlich so gegensätzlich?", fragt er. "Damit es später zwischen uns zu Spannungen kommen kann. Da menschelt die Handlung", entgegnet sie. Damit ist schon ein Tatort-Punkt geklärt: Die Charaktere.

Dann das wichtigste eines jeden Kriminalstücks: Die Leiche. Dafür muss zunächst Souffleuse Anna Dreher malerisch und punktgenau auf den Bühnenboden fallen. Dann erzählen die beiden Protagonisten in einer wissenschaftlich klingenden Abhandlung unappetitliche Details von Insekten, die "selbst aus mumifizierter Haut noch große Stücke herausbeißen können" und die Toten nutzen, "um darin ihren Nachwuchs großzuziehen" .

Schließlich wird dem Tatort auch noch eine soziale Komponente hinzugefügt: "Art but fair", eine Kritik an den schlechten Arbeitsbedingungen in der Theaterwelt. Da werde nicht mal Mindestlohn gezahlt, stellen die Kommissare fest. "Am Rheinischen Landestheater hat sich sogar der Betriebsrat aufgelöst und immer wieder wird eingebrochen. Zuletzt ist das Video eines Revolutionsabends gestohlen worden. Die Schauspieler wollten gegen die miese Bezahlung revoltieren."

Nachdem die Tatort-Struktur erklärt ist, ermitteln Caroline Engel und Harry König munter drauf los. Wonach sie genau suchen, bleibt allerdings unklar. Einer Leiche? Oder doch einem Täter vielleicht? Immer wieder wird eine Verdächtige vernommen, die Anna Lisa Grebe heißen soll und von Anna Dreher gespielt wird. Um diesen Gag zu verstehen, muss man wissen, dass die Souffleuse Dreher für die Schauspielerin Grebe eingesprungen ist.

Ermittelt wird jedenfalls. Ob Anna Lisa Grebe alias Anna Dreher dabei als Täterin oder Tote verdächtig ist, wird nicht so wirklich klar. 70 Minuten lang rasen die beiden Beamten mit Bürostühlen und Blaulicht über die Bühne, bedrohen sich gegenseitig mit ihren Pistolen ("die sind ja gar nicht geladen" - "Klar, sind ja nur Requisite."), trinken Kaffee aus Pappbechern ("Ist ja gar nix drin" - "Klar, ist ja nur Requisite"), nehmen die Verdächtige ins Verhör und immer wieder spricht Kommissarin Engel den legendären Derrick-Satz "Harry, hol schon mal..." - nicht zu Ende.

(NGZ)
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