Neuss Suizid – noch Tabuthema

Neuss · Interview mit Barbara Keßler (Seelsorge)

 Barbara Keßler von der TelefonSeelsorge Neuss.

Barbara Keßler von der TelefonSeelsorge Neuss.

Foto: Woitschützke

128 Menschen im Rhein-Kreis Neuss versuchten sich 2009 das Leben zu nehmen, 41 starben. Zum heutigen Weltsuizidpräventionstag sprach NGZ-Mitarbeiterin Semiha Ünlü mit der Leiterin der TelefonSeelsorge, Barbara Keßler, über Ursachen und die Wichtigkeit, auf Signale zu reagieren.

Frau Keßler, was sind die häufigsten Ursachen für einen Selbstmord?

Barbara Keßler Das ist ein komplexes Phänomen. Der Suizid stellt meist den Endpunkt einer zugespitzten psychischen Krise und großer innerer Not dar. Daher überrascht es nicht, dass das Risiko, durch einen Suizid zu sterben, bei einem depressiv erkrankten Menschen deutlich höher ist als bei der Durchschnittsbevölkerung.

Sind Menschen mit psychischen Erkrankungen generell gefährdeter?

Keßler Grundsätzlich gilt, dass das Suizidrisiko bei allen psychischen Erkrankungen erhöht ist, alte und vereinsamte Menschen besonders betroffen sind. Auch Menschen mit einer homosexuellen Orientierung sind betroffen.

Was sind Signale?

Keßler Gedanken an Suizid, Suizidphantasien und -impulse, sollten von dem Betreffenden, aber auch von den Angehörigen und Freunden ernst genommen werden. Es handelt sich um ein Notsignal, dass das Leben in seiner jetzigen Form für den Betreffenden so nicht weiter gehen kann und soll. In der Regel zeigt sich der "Tunnelblick", häufig verbunden mit einem Rückzug aus den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Wo bekommen Betroffene Hilfe?

Keßler Wichtig ist, dass Betroffene sich an Anlaufstellen wenden, denen sie vertrauen. Dies kann der eigene Hausarzt sein, eine Beratungsstelle oder häufig als erster Schritt auch ein Gespräch mit der TelefonSeelsorge (Tel. 0800-1110111)

Warum ist der Tag heute wichtig?

Keßler Um einen weiteren Beitrag zur Ent-Tabuisierung dieses wichtigen Grenzbereichs menschlicher Erfahrungen zu leisten.

Ist das Thema Suizid nach dem von Robert Enke noch ein Tabu?

Keßler In der Öffentlichkeit wird nach unserem Eindruck häufiger über Depression und den Zusammenhang zum Suizid berichtet, ob dies allerdings Betroffenen als auch Angehörigen die Angst und Scham nimmt, über dieses ängstigende Thema zu sprechen, wird sich noch zeigen.

(NGZ)
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