Fotos Stadtteil-Serie: Wir in Meertal/Augustinusviertel
Die NGZ stellt jede Woche einen Neusser Stadtteil vor - seine Menschen, seine Vorzüge sowie viele Tipps. Meertal und Augustinusviertel bilden die 16. Folge.
Meertal und Augustinusviertel in ZahlenEinwohner insgesamt 3027davon Frauen 1613Einwohner unter 18 526davon weiblich 257Einwohner über 65 742davon Frauen 487Ausländer 330Anteil an der Bevölkerung 10,9 ProzentHaushalte/Wohnungen 1193Hartz IV-Empfänger 145Fläche 1,17 QuadratkilometerBevölkerungsdichte 2587 pro QuadratkilometerKlöster Immaculata, St. AlexiusSchulen ---Kindergärten 1
Mein ViertelPeter Ritters wohnt dort, wo die Neusser bei einem Spaziergang Erholung in der Natur suchen: Seit 38 Jahren steht sein zu Hause am Selikumer Weg, der von der Nordkanalallee parallel zur Obererft durch die Auen zum Reuschenberger Busch führt. „Wir wohnen im Grünen“, sagt Peter Ritters (63), „und doch können wir zu Fuß oder mit dem Rad schnell unsere Besorgungen machen.“ Diese kurzen Wege liebt Ritters, denn er ist viel unterwegs. Als Vermessungstechniker im Außendienst der städtischen Liegenschaften, als Hauswart des Rudervereins, als Vorstand des Reiter- und Rennvereins oder als Oberleutnant seines Schützenlust-Zuges „R(h)einrassige“. Ruhender Pol all seiner Aktivitäten bleibt aber der Selikumer Weg. Als er das 1916 errichtete Gebäude übernahm, gab’s nur Ofenheizung und einen Hahn für kaltes Wasser. Längst hat er den Komplex modernisiert. Ritters und seine Nachbarn hoffen, dass die kleine Oase erhalten bleibt. Wenn Sie aus dem Garten in Richtung Alexianer-Kloster schauen, fragen sie sich, was die Zukunft bringen wird. Verlässt der Orden Neuss? Was wird aus der Kirche und den Aufbauten? Ritters: „Es wäre gut, wenn unser Viertel seinen Charakter behalten würde.“
Für GenießerNicht nur Meertaler kommen ins Noah. In Neuss hat sich herumgesprochen, dass im Wohlfühl-Ambiente mit lichtem Wintergarten leckeres Essen und gepflegte Getränke zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis serviert werden. Noah eröffnete 2000 mit Bezug des Meertals, vor drei Jahren wechselte es vom Diakonischen Werk zur Hephata. Seither ist dort Küchenchef Carsten Kriechel (45) auch der Leiter des Gastrobereichs. Ihm bereitet die Aufgabe viel Freude, denn hinter der Noah steckt ein spannendes Projekt. Es handelt sich um ein Integrationsunternehmen, bei dem kranke, behinderte oder sozial benachteiligte Menschen eine Chance erhalten, sich im Berufsleben zu bewähren. Die Abkürzung Noah steht für „Neue Organisation für Arbeits- Hilfen“ – Das Ergebnis im Meertal ist einen Besuch wert.
Für EntdeckerEr liegt versteckt, der Galgenberg, auf der Anlage des Kleingartenvereins „Römerlager“ mit Haupteingang am Gnadentaler Weg. Schon der Weg in den Südosten der Siedlung Meertal lohnt, wobei die „Anreise“ mit dem Fahrrad empfohlen sei. Wer den eingezäunten, unscheinbaren Hügel mit Baumbewuchs besichtigen will, muss durch die Kleingärten gehen – 164 Parzellen umfasst die Anlage. Der Verein wurde 1928 gegründet. Wer rücksichtsvoll als Besucher auftritt, der wird auch freundlich empfangen. Oft entwickelt sich ein nettes Gespräch, der Weg zum Galgenberg wird gern gezeigt. Die Legende sagt, dass zum Beispiel Hester Jonas unter Folter „gestand“, am Galgenberg mit „Hans Beelzebub“ getanzt zu haben. Die „Hexe Hester“ wurde anschließend Heiligabend 1635 von einem Scharfrichter getötet. Das komplette Verhörprotokoll des Hexenprozesses ist im Stadtarchiv Neuss einzusehen. Der Dichter Peter Maiwald hat die „Ballade von der Hester Jonas“ geschrieben, die Band „Cochise“ hat sie auf dem Album „Rauchzeichen“ vertont. Ein spannendes Stück Neuss.
Mein WunschAls Sylvia Kanthak (49) und ihr Mann Udo 1999 ihr Reihenhäuschen am Gnadentaler Weg bezogen, da gehörten sie zu den ersten Bewohnern, die in den neuen Stadtteil zogen. Sie haben es nie bereut: „Die Atmosphäre ist gut, die Nachbarn sind nett und der Edeka-Markt ist gut sortiert.“ Sylvia Kanthak, die in Leipzig geboren wurde, in Düsseldorf ihre Reiseagentur führt, fühlt sich im Meertal längst heimisch: „Wir können in der Natur spazieren gehen und die Verkehrsanbindung ist bestens.“ Nun ist nichts so gut, dass es nicht noch etwas zu verbessern gäbe. Ein Punkt ärgert Sylvia Kanthak jeden Tag: die einzige Zu- und Ausfahrt, die nur über den Berghäuschensweg möglich ist. Zu den Hauptverkehrszeiten stauen sich die Autos bis weit in die Siedlung hinein. Die Parkplätze, die zur Verkehrsberuhigung eingerichtet wurden, sind in ihren Augen kontraproduktiv: „Jetzt fahren wir alle schneller, um noch an den Autos vorbei zu kommen.“ Eine Änderung sei dringend geboten.
Wie das Viertel entstandDie bis in die Gegenwart benutzte Bezeichnung Meertal leitet sich aus einer Zeit ab, da das Gebiet eine feuchte Niederung war. Wie an vielen Orten in Neuss, so zeugen auch im Meertal Funde von der Römerzeit. Ein Gutshof, villa rustica genannt, ist belegt. Nach dem Ersten Weltkrieg diente die „Siedlung Meertal“ belgischen Soldaten als Unterkunft; nach deren Abzug 1926 wurden die Gebäude zivil genutzt. Weite Teile des Areals wurden lange Jahre vom Alexianerkloster als Weideland genutzt.Erst in den 1990er Jahren reiften die Pläne für das Neubaugebiet, das ursprünglich als Ergänzung zum Dreikönigenviertel gedacht war. So sollten auch im Meertal die Straßen nach Dichtern benannt werden. Aber diese Gedanken wurden verworfen. Es zeigte sich, dass Teile des Meertals längst auf Gnadental ausgerichtet waren. So diente die Kapelle im Kloster St. Alexius bis 1956 als Kirche für die Grünweg-Siedlung (Gnadental) sowie für die Anwohner des Berghäuschensweg und der Kölner Straße. Die Zeit der Improvisation endete mit der Weihe von St. Konrad in Gnadental.Der Orden der Alexianer-Brüder zog 1869 in den neuen Gebäudekomplex an der heutigen Nordkanalallee. Er verließ damals seinen Stammsitz an der Brückstraße in der Neusser Altstadt, dort wo heute das Romaneum am Kehlturm gebaut wird.