Politik fürchtet Demokratie-Verlust Neuer Vorstoß zur Rats-Verkleinerung

Neuss · Stimmen die Neusser bei der Kommunalwahl so ab wie bei der Bundestagswahl, hätte der nächste Rat nicht 58, sondern 80 Mitglieder. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Verwaltung, das Wahlkreissystem neu zu ordnen.

 Hausmeister Ernst Eggert könnte für 80 Ratsmitglieder kaum Platz schaffen.

Hausmeister Ernst Eggert könnte für 80 Ratsmitglieder kaum Platz schaffen.

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Die Stadtverwaltung regt an, die Zahl der derzeit 29 Kommunalwahlkreise zu reduzieren. Mitten in der politischen Sommerpause hat sie einer fraktionsübergreifenden Arbeitsgruppe einige Modellrechnungen vorgelegt in der sie zu dem Schluss kommt, eine Neueinteilung des ganzen Stadtgebietes in 24 bis 26 Wahlkreise zu empfehlen. Nicht Kosten sind dabei das Hauptargument, sondern die Aussicht auf einen „Super-Rat“ mit 80 Stadtverordneten – oder mehr. Roland Sperling (Die Linke) wertet das als Versuch, den Stadtverordneten etwas Angst zu machen, damit diese einer, so Sperling, Lieblingsidee des Bürgermeisters folgen. Für Arno Jansen (SPD) aber ist die Ausarbeitung ein Denkanstoß, der ihm klar macht: „Lieber verkleinern, als künftig in Sporthallen tagen zu müssen.“

Das Thema „Verkleinerung des Rates“ hatte die Politik schon im vergangenen Jahr beschäftigt und auch Eingang in die Beratungen des Arbeitskreises „Haushaltskonsolidierung“ gefunden. Vier Stadtverordnete weniger, so hatte die Verwaltung durchgerechnet, spart 22.000 Euro jährlich an Sitzungsgeldern und Aufwandsentschädigung ein. Von dieser Seite aus wurde das Thema aber vertagt, vom Rat mit Mehrheit abgelehnt. Begründung: Die Anbindung der Bürger an ihre direkt gewählten Stadtverordneten ginge verloren, wenn diese immer größere Wahlkreise betreuen müssen.

Das Argument sticht – gerade in einer wachsenden Stadt wie Neuss – nach wie vor, der Ratsbeschluss steht. So irritiert es denn auch Michael Klinkicht (Grüne), dass die Verwaltung das Fass wieder aufmacht und noch dazu unter ganz anderen Vorzeichen.

Nichts zu tun, geht aber auch nicht. Denn die Stadt muss die Wahlkreise vornehmlich im Neusser Süden neu zuschneiden, weil jeder direkt gewählte Stadtverordnete durchschnittlich 5337 Einwohner vertritt, der für Allerheiligen aber 6738. Das liegt oberhalb der Toleranzspanne, die das Kommunalwahlgesetz erlaubt. Zudem sollte durch Erledigung dieser Pflichtaufgabe mit der Korrektur auch erreicht werden, dass die Wahlkreisgrenzen wieder deckungsgleich mit den Zuständigkeitsbereichen der Bezirksausschüsse werden. Diese Pflicht möchte zum Beispiel Manfred Bodewig (FDP) nutzen, das System anzupassen, um „zu effizienten und strafferen Strukturen im Rat zu kommen“ – und ihn nicht aufzublähen.

Dem Rat müssen für eine Stadt in der Größe von Neuss mindestens 48 Stadtverordnete angehören, höchstens aber 58 – jeweils zur Hälfte direkt in den Wahlkreisen gewählt. Doch schon der aktuelle Rat zählt 68 Köpfe. Zehn Ausgleichsmandate wurden nötig, weil die CDU 27 von 29 Direktmandaten, aber nur 39 Prozent der Stimmen errang. Dieser Effekt könnte sich verstärken, weil gerade die großen Parteien immer weniger Wähler binden. Stimmen die Neusser bei der Kommunalwahl ab wie bei der Bundestagswahl, würde der Rat – bei 29 Wahlkreisen – 80 Mandatsträger haben.

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