Neuss Stadt: Mietspiegel absetzen

Neuss · Die Kritik am neuen grundsicherungsrelevanten Mietspiegel des Kreises wächst. Hinzu kommen Probleme bei der Anwendung. Bescheide sollen schlampig erstellt sein. Bürgermeister Herbert Napp: "Das kann nicht richtig sein."

 Angela Stein-Ulrich von der Arbeitslosenberatungsstelle hat wöchentlich zehn Hartz-IV-Empfänger mit einer Kostensenkungsaufforderung in der Beratung: "Die Leute werden verschreckt."

Angela Stein-Ulrich von der Arbeitslosenberatungsstelle hat wöchentlich zehn Hartz-IV-Empfänger mit einer Kostensenkungsaufforderung in der Beratung: "Die Leute werden verschreckt."

Foto: L. Berns

Neuss/Rhein-Kreis Hausmeistertätigkeiten waren wohl selten gefragter als heute. Das Interesse entsteht allerdings eher zwangsläufig, denn ein solcher Nebenjob kann ein Beitrag zur Kostensenkung sein, der von immer mehr Wohngeld- und Hartz-IV-Empfängern gefordert wird. Grund ist der neue grundsicherungsrelevante Mietspiegel des Kreises, der vor allem für die Hilfeempfänger in Neuss deutlich niedrigere Obergrenzen für angemessenen Wohnraum definiert. 53 von 576 bisher überprüften Haushalten haben eine solche Aufforderung bis gestern bekommen, in 126 weiteren Fällen unterblieb sie, weil die Obergrenze nur marginal überschritten wurde. "Das kann nicht richtig sein", sagt Bürgermeister Napp, der eine Aussetzung des neuen Mietspiegels fordert.

Der Mietspiegel und seine Anwendung müssen sich in der Praxis messen lassen – und dieser Alltagstest geht immer öfter negativ aus. Wie das aussieht, erfährt Angela Ulrich Stein von der Arbeitslosenberatung an der Breite Straße. Sie hat etwa wöchentlich zehn Betroffene in ihrer Sprechstunde, die zur Kostensenkung aufgefordert werden. Und in mindestens jedem dritten Fall muss sie feststellen, dass der Bescheid schlampig erstellt wurde. Weil der zugesicherte Sicherungszuschlag von 15 Prozent, der Altfällen zugesichert wurde, nicht berücksichtigt wurde, oder weil der Raumbedarf falsch berechnet wurde, wie Napp aus anderen Fällen weiß, die bei der Stadt auflaufen. "Es ist schlimm, was das passiert", sagt Stein-Ulrich. "Die Leute werden so verschreckt."

"In diesem frühen Stadium ist ein vorschnelles Urteil völlig verfehlt", hält Kreissozialdezernent Jürgen Steinmetz der Kritik entgegen. Er nennt den Mietspiegel einen "Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit", der zudem den Kreis aber auch Städte und Gemeinden finanziell entlastet. Für ihn bleibt die Einzelfallprüfung das maßgebliche Instrument bei der Anwendung des Mietspiegels. Auch was aus den 53 genannten Fällen wird, sei deshalb offen.

In der Tat ist den Kostensenkungsaufforderungen noch kein Kürzungsbescheid gefolgt. Erst dann aber kann geklagt und damit der Mietspiegel einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Darauf wartet die Stadt, die solchen Betroffenen Unterstützung zusagt.

Dass auch die Wohnungsbaugesellschaften daran ein Interesse haben, davon ist Napp überzeugt. Allein der Bauverein musste seit August 19 Interessenten abweisen. Mit den neuen Sätzen des Mietspiegels sind auch Sozialwohnungen für sie unerschwinglich.

(NGZ)
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