Tradition in Neuss Das kommt in die Martinstüte

Neuss · Nach dem Martinszug sahnen die Kinder meist nicht nur beim Gripschen in der Nachbarschaft, sondern auch bei der Verteilung der Martinstüten ab. Was steckt drin in der süßen Tüte?

Ehrenamtliche Helfer bereiten die Martinstüten für die Umzüge in Norf und Derikum vor.

Ehrenamtliche Helfer bereiten die Martinstüten für die Umzüge in Norf und Derikum vor.

Foto: Michael Esser

An Sankt Martin gibt es in vielen Neusser Stadtteilen nach dem großen Umzug nicht nur ein Martinsfeuer und eine feierliche Mantelteilung, sondern vor allem eines: Süßes. Vielerorts werden Martinstüten an die Kinder verteilt, die mit den Spendengeldern der vorherigen Haussammlungen finanziert werden. Diese Bescherung ist häufig ein unabdingbarer Teil der Martinstradition.

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„Eine Martinstüte besteht bei uns traditionell aus einem großen Weckmann, einem Apfel, einer Mandarine und diversen Süßigkeiten“, erklärt Michael Petzold, Vorsitzender des Martinskomitees in Hoisten, der dort in seinem 28. Jahr aktiv ist. „Wir entscheiden nach der Sammelaktion gemeinsam, was in die Tüte kommt. Durch die Eltern unter unseren Helfern haben wir dabei natürlich einen direkten Draht zu den Kindern.“ Das Herz der Martinstüte ist und bleibt jedoch der Weckmann mit seiner Pfeife, „Der darf nicht fehlen“, findet Petzold.

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Foto: Pixabay / Oliver Schaulandt

Das Budget, das dem Martinskomitee für die Tüten zur Verfügung steht, hängt von den Einnahmen der Haussammlung ab. In diesem Jahr werden das laut Petzold voraussichtlich mindestens zehn Euro je Tüte sein. Die Seniorentüten für Hoistener ab 80 Jahren, die das Komitee zusätzlich packt, liegen im Budget in der Regel etwa einen Euro darunter. Bei diesen Tüten werden die Süßigkeiten aus Rücksicht auf den Blutzucker der Empfänger durch Spekulatius und eine kleine Flasche Orangensaft ersetzt.

Prall gefüllt sind die Martinstüten auf jeden Fall, Verbesserungsvorschläge gibt es dennoch. Ulla Tenberge-Weber von der Arbeitsgruppe Ernährungsbildung und Gemeinschaftsverpflegung des Ernährungsrates im Rhein-Kreis Neuss sieht kein Problem in den Süßigkeiten selbst, dafür aber in der Menge: „Die Kinder erwarten natürlich Süßigkeiten in den Martinstüten, man kann nicht einfach darauf verzichten. Wenn man aber die große Menge reduzieren würde, könnte man diese auch bewusster, regionaler auswählen – weniger ist da manchmal mehr.“ Die dahinterliegenden Nachhaltigkeitsziele könne man auch an die Mädchen und Jungen weitergeben: „Wenn man den Kindern offen kommuniziert, warum die Tüte nun kleiner ist, und ihnen erklärt, dass man damit einen Beitrag für die Umwelt und die Region leistet, dann kann man auch in gewisser Weise den Gedanken des Martinsfestes weiterführen: Teilen.“

Auch das Hoistener Martinskomitee möchte den Kindern mit den Martinstüten die Werte des Teilens vermitteln, denn ganz für sich behalten sollen die Kleinen ihre Süßigkeiten nicht: Seit rund zehn Jahren werden in Hoisten in der Woche nach dem Umzug in den teilnehmenden Einrichtungen Behälter aufgestellt, in die die Kinder Teile ihrer Martinsbeute abgeben sollen. Die von den Kindern gespendeten Süßigkeiten gehen an Einrichtungen für tagesobdachlose Kinder in Erfttal und Weckhoven. Man ist sich einig, dass die Martinstüten wohl um einiges schrumpfen müssten, wenn man sie ausschließlich mit regionalen Produkten befüllen wollte. Bereits jetzt bezieht das Martinskomitee in Hoisten seine Weckmänner von einer Bäckerei in Neuss und sein Obst von einem Großmarkt in Düsseldorf.

Aus reinen Gesundheitsgründen die Süßigkeiten aus den Martinstüten streichen möchte aber weder der Ernährungsrat noch das Martinskomitee: „Ausgewogen ernähren kann und sollte man sich das ganze Jahr über. An diesem besonderen Tag wollen wir den Kindern aber etwas geben, an dem sie auch Freude haben“, sagt Michael Petzold mit Überzeugung.

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