Benno Jakubassa "SPD denkt in historischen Dimensionen"

Neuss · Der Chef von 600 Neusser Sozialdemokraten über 150 Jahre SPD und seine Pläne, die Partei erst 2014 so richtig zu feiern.

 Im nächsten Jahr wird die Neusser SPD 125 Jahre alt. Das lokale Jubiläum will Vorsitzender Benno Jakubassa im großen Rahmen feiern.

Im nächsten Jahr wird die Neusser SPD 125 Jahre alt. Das lokale Jubiläum will Vorsitzender Benno Jakubassa im großen Rahmen feiern.

Foto: Archiv/Lber

Herr Jakubassa, das Neusser Forum Archiv und Geschichte kündigt für den 16. Juli einen Vortrag zum Thema "150 Jahre SPD" an. Von Ihrer Partei hören wir nichts. Haben Sie das Jubiläum verschlafen?

Benno Jakubassa Natürlich nicht. Gerade Sozialdemokraten denken in historischen Dimensionen. Wir bereiten uns in Neuss auf ein für uns noch wichtigeres Jubiläum vor, das wir 2014 begehen: 125 Jahre Neusser SPD. Das wird groß gefeiert. So sind wir sehr dankbar, dass der Verein Forum Archiv und Geschichte mit einer großen Vortragsveranstaltung an die Gründung der SPD vor 150 Jahren in Deutschland erinnert. Den Referenten, Professor Bernd Faulenbach, haben wir als SPD übrigens für diesen Abend gewonnen.

Sie wollen also nicht beide Jubiläen in einem großen Rahmen feiern?

Jakubassa Wir können doch nur jeden Euro einmal ausgeben. Auch die Wahlkämpfe für den Bundestag in diesem Herbst, das Europaparlament, Stadtrat und Kreistag im Mai nächsten Jahres und die Bürgermeister-Wahl in 2015 kosten Geld. Aber uns bewegen nicht nur finanzielle Gründe. Auch inhaltlich macht es keinen Sinn, die Partei in zwei aufeinanderfolgenden Jahren zwei Mal zu feiern.

Da ist es praktisch, dass das Jubiläum "125 Jahre Neusser SPD" in den kommunalen Wahlkampf fällt?

Jakubassa Das empfinden wir natürlich nicht als unangenehm. Das war übrigens 1989 aus so. Da gab's auch Wahlkampf ums Rathaus als wir unser Hundertjähriges feierten. Damals war Ministerpräsident Johannes Rau unser Ehrengast.

Zum Jubiläum haben Sie eine wissenschaftlich anspruchsvolle Festschrift von Peter Diesler vorgelegt...

Jakubassa "Bis die letzte Fessel der Arbeit zerbricht ..." hieß das Werk, an dem Peter Diesler eineinhalb Jahre gearbeitet hat. Hans-Joachim Vogel, der damalige SPD-Bundesvorsitzende, hat die Schrift einmal als das beste Geschichtsbuch einer lokalen SPD bezeichnet, das er jemals in Händen gehalten habe. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

Glauben Sie, dass die Arbeiterbewegung und ihre Bedeutung für Neuss in der Neusser Geschichtsschreibung zu wenig beachtet wird?

Jakubassa Ich halte mich da an die Fakten. Am 10. September 1848 sprach Ferdinand Lassalle vor mehr als 10 000 Menschen auf den Rheinwiesen vor der Hessentorbrücke. Diese Neusser Volksversammlung war die erste politische Massenkundgebung am Niederrhein. Das ist Bestandteil der Neusser Geschichte, und das hat Peter Diesler in seinem Buch bewusst gemacht. Ebenso ist es eine Tatsache, dass der deutsche SPD-Chef August Bebel zwei Mal, 1884 und 1898, in Neuss für den Reichstag kandidierte.

Schöpfen Sie aus der Geschichte Ihre Motivation, weil die Neusser SPD so wenig Wahlerfolge aufweisen kann?

Jakubassa Erfolg gleich Wahlerfolg — diese Sichtweise ist typisch für Außenstehende. Ich habe eine andere These: Keine andere Partei hat in Deutschland so viel für Demokratie und soziale Gerechtigkeit getan wie die SPD. Es mag sein, dass die SPD die längste Zeit ihres 150-jähriges Bestehen in der Opposition gestanden hat, aber wir waren erfolgreich. Wir haben die Lebensumstände der einfachen Menschen verbessert, somit die Gesellschaft verändert und für sozialen Frieden gesorgt.

Warum kommen Sie und Ihre Partei machtpolitisch so bescheiden daher?

Jakubassa Wir sind nicht bescheiden, und wir wollen auch Wahlerfolge, die sich ja jetzt erfreulicherweise im größeren Umfang in Neuss einstellen. Aber entscheidend ist, welche Themen wir durchsetzen können. Vergleichbares haben die Grünen bei einem Thema geschafft: Die Fortschritte in der Umweltpolitik gehen auf sie zurück. Die Grünen haben auch ein Bewusstsein geschaffen, das über ihre Partei hinausgeht. So ist das auch mit der SPD und der sozialen Gerechtigkeit.

Wo steht die Neusser SPD heute?

Jakubassa Wir verfügen mit Reiner Breuer über eine kompetente Persönlichkeit, die der SPD Gesicht und Gewicht gibt. Unter seiner Führung wächst bei den 20- bis 30-Jährigen eine Generation Neusser Sozialdemokraten heran, wie ich sie in dieser Breite und Klasse in 40 Jahren Parteiarbeit noch nicht gesehen habe. Das motiviert mich.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(NGZ/rl)
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