Rhein-Kreis Neuss Sinsteden zeigt Rückriem als Zeichner

Rhein-Kreis Neuss · Eine Ausstellung im Kreiskulturzentrum Sinsteden präsentiert knapp 90 Zeichnungen von Ulrich Rückriem. Wie auch bei seinen Steinskulpturen arbeitet der Künstler auf dem Papier mit der Beziehung von Punkt und Linie zur Fläche.

 Wie ein Fries ziehen sich die 89 Zeichnungen an den Wänden des Kulturzentrums entlang. Alle hängen im gleichen Abstand zueinander.

Wie ein Fries ziehen sich die 89 Zeichnungen an den Wänden des Kulturzentrums entlang. Alle hängen im gleichen Abstand zueinander.

Foto: Linda Hammer

Er ist einer der bekanntesten Bildhauer — und dennoch ein Künstler, der an einem vorbeigehen kann, ohne erkannt zu werden. Ausstellungseröffnungen seiner Werke finden meistens ohne ihn statt, und selbst wenn es sich um eine Schau an dem bundes- wie weltweit einzigen Ort handelt, an dem rund 100 Arbeiten von ihm zu sehen sind — dass Ulrich Rückriem deswegen ins Rheinland kommt, ist keineswegs zu erwarten.

Aber dieses Mal kam er dann doch. Unangemeldet, und gesagt hat er auch nichts, als gestern die Ausstellung mit seinem zeichnerischen Werk im Kreiskulturzentrum Sinsteden eröffnet wurde. Warum auch. Er hat die Ausstellung eingerichtet, von der Reihenfolge der 89 Din A4-großen Blätter bis hin zum Abstand zueinander, was aus den Zeichnungen unter dem Motto "Punkt und Linie zur Fläche" ein fortlaufendes Bild-Band macht. In Augenhöhe des Künstlers (bei einer Körpergröße von 1,80 Meter) und im Abstand einer (seiner) Schrittlänge. "Er schaut sich den Raum an, packt aus, hängt — und ist fertig", sagt die Leiterin des Kulturzentrums Sinsteden, Kathrin Wappenschmidt, die mit dieser Schau nach gut 15 Jahren zum zweiten Mal den Künstler als Zeichner präsentiert.

Das Besondere an dieser Ausstellung, die auch vom NRW-Kulturministerium gefördert wird, ist indes, dass Rückriem jetzt selbstständige Arbeiten zeigt. 1997 waren es Zeichnungen, die auch als Vorstudien zu seinen Steinarbeiten begriffen werden konnten; jetzt sind es Zeichnungen, die autonom sind. Doch auch in ihnen erkennt man den Bildhauer, jenen Künstler, der Fläche, Raum und Linien als Einheit erfasst und wieder seziert, in dem er die drei Bestandteile in ein spannungsreiches Gegen- oder Miteinander setzt.

Passend zum 75. Geburtstag des überwiegend in London lebenden, in Neuss-Helpenstein aufgewachsenen Bildhauers wartet die Einrichtung dadurch mit einem besondern Blick auf Rückriems Arbeit auf. Wer seine tonnenschweren Steinskulpturen in den Hallen des Kulturzentrums kennt, wird nun erstaunt und überrascht von der Leichtigkeit seiner Zeichnungen. Jede einzelne ist von Hand gemacht, und keine ist wie die andere, obwohl sie motivisch alle das gleiche zeigen: Auf jedem Blatt setzen sieben Punkte ein Raster, dem Rückriem mit Linien und schwarz-, rot-, blau- oder gelbschraffierten Flächen in Drei-, Fünf- oder Sechsecken Gestalt gibt. Was Rückriems Bildhauer-Arbeit kennzeichnet, findet sich auch in diesen Wandbildern wieder. Die Fläche bleibt immer gleich groß und doch erscheint sie durch die unterschiedlichen Figurationen immer anders. Die verschieden platzierten Punkte schaffen jedes Mal einen neuen Schwerpunkt, die Reihung auf einer Höhe lässt das Bild- fast zu einem Laufband mutieren.

Die Zeichnungen sind indes auch eine Reverenz an Wassily Kandinsky (1866—1844). Punkt, Fläche und Linien wie die Horizontale, die Vertikale und die Diagonale sind ebenso dessen abstrakte Leitelemente wie auch Rückriems. In einem Extra-Raum des Kulturzentrums im Durchgang zu den Sklupturenhallen wird das geradezu sinnfällig. Sieben Zeichnungen an der Stirnwand sind dafür die Leitbilder im Wortsinn. Sie führen zu einer großen Steinarbeit, auf deren Oberseite die letzte Figuration zu einer Intarsie wird. Ein wunderbarer Fingerzeig dafür, auch die Skulpturenhallen (wieder) zu besuchen.

(NGZ)
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