Ehrengast der Stadt Neuss Simonsweg erinnert an jüdische Familie

Neuss · Neuss erinnert am Freitag an die Pogromnacht vor 80 Jahren. Zu dieser Gedenkfeier wurde Gaby Glassman eingeladen. Die Tochter eines der Holocaust-Überlebenden spricht über die Geschichte ihrer Familie im Stadtarchiv.

 Das Foto von Paul und Ida Simons entstand im niederländischen Exil. Dort holte  der Krieg die jüdische Familie ein. Die Neusser Unternehmer wurden 1943 von den Nazis ermordet.

Das Foto von Paul und Ida Simons entstand im niederländischen Exil. Dort holte  der Krieg die jüdische Familie ein. Die Neusser Unternehmer wurden 1943 von den Nazis ermordet.

Foto: Stefan Rohrbacher/Stadtarchiv Neuss

Zur Erinnerung an das Schicksal von Ida und Paul Simons wurden am 8. Dezember 2009 zwei Stolpersteine vor dem Haus Kaiser-Friedrich-Straße 132 verlegt. In diesem Haus wohnten zur Zeit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 Paul Simons, seine Frau Ida, eine gebürtige Rosenberg, sowie der 1904 geborene gemeinsame Sohn René. Zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht im Jahr 1938 – also vor genau 80 Jahren — reist die Tochter von René Simons, Gaby Glasman-Simons, mit Ehemann David auf besondere Einladung der Stadt von London an den Rhein. Ein Höhepunkt in ihrem Besuchsprogramm wird die Benennung einer Straße im Neubaugebiet auf dem Gelände des ehemaligen Kamillianerklosters in Simonsweg sein.

Für Gaby Glassman-Simons, nach dem Krieg in Amsterdam geboren, ist es der zweite Besuch in Neuss. Das erste Mal kam sie 1988 auf Einladung des damaligen Bürgermeisters Berthold Reinartz. Diesmal begrüßt sie Reiner Breuer am Freitag im Rathaus, ehe am Mahnmal Promenadenstraße an jene Nacht erinnert wird, die für das schändlichste Kapitel der deutschen Geschichte steht – für die Verfolgung und die Ermordung der jüdischen Bürger.

 Die Simons-Mühle im Hafen wurde 1929 verkauft.

Die Simons-Mühle im Hafen wurde 1929 verkauft.

Foto: Stefan Rohbacher/Rheinisches Bildarchiv Köln

Im Rahmen ihres mehrtägigen Besuchs wird Gaby Glassman-Simons, die auch Deutsch spricht, am morgigen Donnerstag im Stadtarchiv einen Vortrag über ihre Familie sowie ihre Arbeit mit der zweiten Generation der Überlebenden halten. Der Hintergrund: Die Psychotherapeutin betreut seit Jahren Überlebende des Holocaust und deren Familien.

Die Engländerin kennt dieses Schicksal aus eigener Erfahrung. Ihre Familie väterlicherseits flüchtete in den 1930er-Jahren in die Niederlande. Doch Sicherheit fand sie auch dort nicht. Während ihrem Vater René mit Müh und Not die Flucht nach Frankreich gelang und er so den Holocaust überlebte, gab es für ihre Großeltern Paul und Ida kein Entrinnen. Sie wurden Ende September 1942 in das KZ Westerbork deportiert, dann am 20. Juli 1943 in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt und dort drei Tage später ermordet.

Die Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig sollen nicht die einzigen kleinen Spuren sein, die an die Neusser Familie Simons erinnern. So entschied der Kulturausschuss im April 2014, eine neue Straße im Stadionviertel „Simonsweg“ zu nennen.

In dem Neusser „Straßenlexikon“, das derzeit unter Federführung des Stadtarchivars Jens Metzdorf entsteht, wird auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung der Familie Simons hervorgehoben. Stammvater Nathan, ursprünglich als Getreidehändler tätig, übernahm Anfang der 1860er Jahre die Obertormühle. Mit seinen Söhnen Leopold und Isaak erweiterte er das Unternehmen. „Die Dampfmühle N. Simons, gegründet 1867, entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Getreidemühlen Deutschlands, deren soziale Einrichtungen als vorbildlich galten“, sagt Metzdorf.

Die Grabsteine des Firmengründer und seiner Frau befinden sich auf dem jüdischen Friedhof am Glehner Weg. „Nathan Simons Nachkommen bauten das Mühlengeschäft weiter aus und engagierten sich beruflich, sozial und in der Synagogengemeinde“, sagt Metzdorf. Anfang des 20. Jahrhunderts entstand ihre Walzenmühle am neuen Hafenbecken I. Zwischen 1928 und 1931 gingen die Simons-Mühlen auf andere Besitzer über.

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