Neuss Silvesterglanz im Münster

Neuss · Neuss Mit einem Konzert allerbester Güte verabschiedete Münsterkantor Joachim Neugart am späten Silvesterabend rund 500 Besucher aus dem alten Jahr. Die sechs (bekannten) Motetten von Johann Sebastian Bach an einem Abend hintereinander zu spielen - dazu bedarf es eines gut vorbereiteten Chores. Bachs Motetten zählen zu den großartigsten Schöpfungen der Chormusik und sind die einzigen unter seinen Vokalwerken, die sich einer ununterbrochenen Aufführungstradition erfreuen. Auch Wolfgang Amadeus Mozart hörte diese Prunkstücke bei einem Leipzig-Besuch 1789 und war "entzückt".

Vier der sechs Motetten sind doppelchörig angelegt, so auch die von Neugart an den Anfang gestellte "Komm, Jesu, komm", eine Arie voll gläubiger und inniger Sterbesehnsucht. Vollkommen der anspruchsvollen Aufgabe zeigte sich die "Capella Quirina Neuss" gewachsen, die als Doppelchor von bestechender Ausgeglichenheit, in homophonen Partien von einheitlicher Klangschönheit geprägt war. Mustergültig die Textverständlichkeit, die auch auf der vollbesetzten Orgelempore befriedigend zu registrieren war.

An wenigen Stellen war der aufgeteilte Sopran etwas dünn, etwa in der doppelchörigen Motette "Fürchte dich nicht", entschädigte aber sofort mit dem in eine vierstimmige Doppelfuge wunderschön eingebauten Choral. Und auch die vierstimmige Motette "Lobet den Herrn, alle Heiden" war trotz ihrer Virtuosität und eines permanent, dabei höchst sicher vorwärts drängenden Dirigenten Joachim Neugart von verblüffender Leichtigkeit.

Neugart ließ alle Motetten entweder colla parte oder mit Continuo begleiten. Dafür gibt es gute Gründe, denn von der doppelchörigen Motette "Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" liegen die Orchesterstimmen von einer Aufführung am 20.10. 1729 vor: Bach ließ den ersten Chor von Streichern, den zweiten von einem Oboenensemble begleiten. Im Münster leistete dies vorzüglich das Barockorchester "Concert Royal" Köln, das zudem mit einer fein musizierten "Sinfonia" aus einer Bach-Kantate dem Chor eine kleine Ruhepause gönnte.

Für viele Zuhörer war die großartige Anlage der fünfstimmigen Motette "Jesu, meine Freude" der Höhepunkt. Zwischen die sechs Choralstrophen hat Bach freie fünf- bis dreistimmige Tonbilder eingefügt. Hier glänzte die "Capella Quirina" nahezu exemplarisch: Der starke Frauenchor beim "Gesetz des Geistes" mit wunderbar homogenem Alt, die ausgezeichneten Männerstimmen auch in einer "tobenden Welt" immer noch von lyrischer Reinheit, und schließlich die äußerst präzise durchgehaltene fünfstimmige Fuge "Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich" im Mittelpunkt. Und auch in der abschließenden doppelchörigen Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied", einer wahren Neujahrsmusik, konnten Chor und Orchester nochmals begeistern.

(NGZ)
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