Neuss Sensationssieg der SPD: Breuer erringt Direktmandat

Neuss · Reiner Breuer (43), erst vor etwas mehr als sechs Wochen als Landtagskandidat der SPD aufgestellt, brachte bei der gestrigen Landtagswahl einen gefeierten Start-Ziel-Sieg nach Hause.

 Der neue Neusser Landtagsabgeordnete Reiner Breuer mit Ehefrau Ute nach dem Wahlsieg, den Breuer als "historische Sensation" bezeichnete.

Der neue Neusser Landtagsabgeordnete Reiner Breuer mit Ehefrau Ute nach dem Wahlsieg, den Breuer als "historische Sensation" bezeichnete.

Foto: woi

Als um 18.33 Uhr das Herz-Jesu-Altenheim als erster Stimmbezirk ausgezählt war, lag er schon vor dem CDU-Kandidaten und 2010 direkt gewählten Landtagsabgeordneten Jörg Geerlings (39).

Neuss: Sensationssieg der SPD: Breuer erringt Direktmandat
Foto: Hans-Georg Pelzer

Und er gab diese Führung nicht mehr ab. Um 21.20 Uhr stand fest: Der Herausforderer Breuer erringt mit 274 Stimmen Vorsprung das Direktmandat im Wahlkreis Neuss, das damit zum ersten Mal seit gut 20 Jahren wieder der SPD zufällt.

"Das Wunder von Neuss ist wahr geworden": Um 21.20 Uhr löste SPD-Parteichef Benno Jakubassa mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses in der Alten Post unter den Anhängern seiner Partei lauten Jubel aus.

Er war schon an Bord, als Friedhelm Farthmann die Neusser SPD 1990 zu ihrem letzten Sieg führen konnte, doch die gestrige Entscheidung nannte er auch aus einem anderen Grunde historisch: Auch bei den Zweitstimmen liegt die SPD mit 32,9 Prozent klar vor der Union (30,1 Prozent). Das hatte es nicht einmal bei der Willy-Brandt-Wahl 1972 gegeben, dem bisher größten Erfolg in der Geschichte der SPD.

Während man bei der SPD spätestens mit der ersten Prognose nach Schließung der Wahllokale einen großen Sieg vor Augen wusste, bangte die CDU zum gleichen Zeitpunkt zumindest noch um einen kleinen Erfolg.

Doch der blieb aus. Das Siegergeschenk der Stadtverodneten Karin Kilb für den CDU-Mann Jörg Geerlings, ein Trikot mit seinem Namen und der Nummer eins, wurde zum Trostpflaster für den geschlagenen Abgeordneten. Und während Andreas Hamacher Geerlings Resultat noch zu einem "beachtlichen Ergebnis" umzudeuten versuchte ("Geerlings liegt zwölf Prozent über dem Landesergebnis"), sah der das klarer.

Geschlagen, wenn auch knapp. Er wolle zunächst das Ergebnis analysieren, sagte Geerlings, der sich zu seiner persönlichen, politischen und beruflichen Zukunft nicht äußert. Doch schon vor der Analyse war ihm klar: Die Kandidatur des Arztes Hermann-Josef Verführt (63) für die FDP hat ihn Stimmen gekostet, vielleicht entscheidende.

Verfürth sah sich an diesem Abend, der mehr als einen Sieger kannte, denn auch auf der Seite der Gewinner. 11,6 Prozent der Stimmen für die FDP und 8,9 Prozent für ihn als Direktkandidaten lagen deutlich über dem, was er sich selbst als Zielmarke gesetzt hatte, als er im März einer FDP beitrat, die der Bedeutungslosigkeit entgegen zu rasen schien. Mit Verfürth wird wohl in zwei Jahren bei der Kommunalwahl erneut zu rechnen sein. "Die Ausgangsbasis ist gut", sagte der Holzheimer mit Blick auf fast 20 Prozent der Stimmen in seinem Heimatort.

Mindestens ebenso entspannt erlebte Hans-Christian Markert (43), Landtagskandidat der Grünen, den Wahlabend. Schon als die Prognose um 18 Uhr das 2010er-Ergebnis der Grünen bestätigte, stand sein zweiter Einzug ins Landesparlament fest. Er freut sich auf eine Fortsetzung von Rot-Grün "mit starken Grünen". (Fast) noch mehr freut ihn an dem Ergebnis, "dass wir auch den Wettbewerb mit den Piraten bestanden haben."

Die allerdings müssen seit gestern als eine feste Größe in der Landespolitik angesehen werden — angeführt von den Neussern Joachim Paul (54), Direktkandidat in Neuss, und Lukas Lamla (28). Ihre Piratenpartei holte mit 8,4 Prozent der Zweitstimmen in Neuss ein Ergebnis, das über dem Landesschnitt lag.

Sie stehen jetzt vor der großen Aufgabe, so Lamla, "aus dem Nichts parlamentarische Strukturen aufbauen zu müssen." Der neuen Landesregierung werde man eine konstruktive Zusammenarbeit anbieten, so der Neusser, der einen neuen Politikstil versprach "völlig frei von politischen Machtblöcken."

Während viele jubeln durften, konnte Felizitas Wennmacher ihre Enttäuschung kaum verhehlen. Zwei Prozent holten "ihre" Linken in Neuss. Und vielleicht war es ein Hinweis auf noch schwerere Zeiten, als sie gestern an verschlossenen Rathaustüren rütteln musste.

(NGZ/jco)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort