Neuss Sels-Museum zeigt Neues vom Altbier

Neuss · Das Clemens-Sels-Museum eröffnet die Ausstellung "Als das Altbier noch jung war". Diese widmet sich dem brau- und kulturgeschichtlichen Hintergrund des Obergärigen und zeichnet den Siegeszug des "flüssigen Brotes" nach.

 Carl Pause ist am Clemens-Sels-Museum für Archäologie und Stadtgeschichte zuständig. Hier zeigt er zwei historische Bierzapfanlagen – kunstvoll verziert und aus Porzellan.

Carl Pause ist am Clemens-Sels-Museum für Archäologie und Stadtgeschichte zuständig. Hier zeigt er zwei historische Bierzapfanlagen – kunstvoll verziert und aus Porzellan.

Foto: Andreas Woitschützke

Ein riesiger Braukessel, eine originale Biertheke vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts, der Duft von Hopfen und Malz – es geht, selbstverständlich, um Bier, genauer um Altbier. Das Clemens-Sels-Museum widmet sich ab dem 9. Juni in einer eigenen Ausstellung ganz dem dunklen Gerstensaft. "Als das Altbier noch jung war" zeigt von den Anfängen des Brauens im Mittelalter über den Siegeszug des Biers bis hin zu Themen wie Marketing, Konsum und Sucht, alles rund um das Volksgetränk.

"Im Prinzip ist das vergorener Muckefuck." Auf diese einfache Formel bringt Carl Pause, der am Clemens-Sels-Museum für Archäologie und Stadtgeschichte zuständig ist, die Essenz des Gerstensafts. Dass viel mehr dahinter steckt, wird schon im ersten der fünf Themenräume sichtbar. Die frühe Geschichte der Bierherstellung lässt sich bis in die Römerzeit zurückverfolgen. Das Beweisstück dafür ist eine alte Krugscherbe aus der Zeit, gefunden in Krefeld, mit der Aufschrift "Cervisia". "Wer Asterix und Obelix gelesen hat, der weiß, das Wort bedeutet nichts anderes als Bier", so Pause. Die Römer gingen, das Bier blieb. Die Zutatenliste für mittelalterliches Bier liest sich allerdings eher wie die eines Kräutercocktails: Anis, Kümmel und Wacholder, dazu das heute kaum noch existierende Gagel, dem eine berauschende Wirkung nachgesagt wird. "Das Bier war in dieser Zeit besonders würzig" sagt Pause. Wer es genau wissen will, muss nur die eigens installierte Duftstation betätigen – schon wabern dem Besucher die Gerüche von historischem Bier und Kesselbrand entgegen. Im 15. Jahrhundert taucht dann zum ersten Mal auch das "Obergärige" auf – der Vorläufer des Altbiers. Es war billig herzustellen, besser haltbar und hatte durch die spezielle Brautechnik eine besondere Geschmacksnote. Dass das Bier sich im Laufe des Mittelalters gegen einen mächtigen Konkurrenten durchsetzen konnte, ist allerdings eher dem Zufall zu verdanken. Nach einer "kleinen Eiszeit" konnte kaum noch Wein produziert werden, die Trauben waren schlichtweg erfroren. "Das Bier war am Anfang eher eine Notlösung, wurde aber zu einem Grundnahrungsmittel, das zu jeder Tageszeit, auch zum Frühstück getrunken wurde", erläutert Pause. Das Bier wurde als Kalorienbombe sogar an Arme und Bedürftige ausgegeben, damit sie nicht hungern mussten. "Flüssig Brot" war ganz wörtlich zu nehmen.

Neben der Geschichte der Brauerei lässt das Museum auch eine früher sehr übliche Altbier-Gaststätte aufleben. Diese kamen erst in den 1880er Jahren auf und waren an die Brauereien angeschlossen. "Hier spielte sich ein großer Teil des gesellschaftlichen Lebens ab, die Menschen lebten in kleinen Wohnungen, man traf sich in den Kneipen. Daraus entwickelte sich auch die Stammtischkultur samt Kegelbahn und Co", erklärt Pause. Außerdem gab es natürlich einen ganz praktischen Grund: Kühles Bier gab es nur in den Gaststätten, private Kühlschränke gab es noch nicht. Wer mal keine Lust auf Kneipenluft hatte, der schickte kurzerhand seine Kinder zum Bier holen. Ausgestattet mit Siffons, großen Glasflaschen mit festem Verschluss, holten die Kleinen dem Papa das Bier.

Übrigens beweist das Museum fairen Sportsgeist und blendet auch das Kölsch nicht aus. Was für die einen eine Glaubensfrage ist, sieht der Experte ganz nüchtern: "Der Unterschied zwischen Kölsch und Alt isttechnisch gesehen gar nicht so groß", so Pause. Ein Schild zeigt sogar, was für eingefleischte Alttrinker ein Sakrileg sein dürfte: Altbier wird dort beworben mit den Worten: "Obergärig wie Kölsch".

(NGZ)
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