Public Viewing in Neuss Sechs Mal Ronaldo - und Müller trifft

Neuss · Im Vereinsheim der Associação Portuguesa de Neuss schauten deutsche und portugiesische Fans den WM-Auftakt ihrer Mannschaften gemeinsam. Die einen freuten sich, die anderen warteten auf den Abpfiff. Ein Besuch.

 Gemischte Gefühle im Vereinsheim der Portugiesischen Vereinigung in der Breitgasse. Während die Deutschland-Fans ihrer Freude Ausdruck verleihen, können es die Portugiesen nicht fassen.

Gemischte Gefühle im Vereinsheim der Portugiesischen Vereinigung in der Breitgasse. Während die Deutschland-Fans ihrer Freude Ausdruck verleihen, können es die Portugiesen nicht fassen.

Foto: Lothar Berns

Um zehn nach sechs ist die Welt noch in Ordnung. Es gibt Tapas, Gambas und gefüllte Teigtaschen, Schnitzel, Pommes und Ketchup vom Discounter - den mag jeder. Die Tische sind voll besetzt, ein Junge im "Ronaldo"-Trikot sucht seinen Platz, von der Decke hängen Portugal-Fähnchen. Götze fällt, Müller trifft. Es ist 18.11 Uhr.

Rund 100 Fans sind ins Vereinsheim der Associação Portuguesa de Neuss, der Portugiesischen Vereinigung, gekommen und die Hälfte hält zum Team aus Portugal. Sie tragen Schals und Fahnen, ein halbes Dutzend Ronaldos sitzt in den Reihen, die Tische sind voll besetzt. 2:1 tippt Adriana da Rocha, für Portugal, da ist das Spiel noch nicht angepfiffen. Die 34-Jährige ist mit ihren Sohn gekommen. Sie trägt einen Hut in rot, gelb und grün, der Sechsjährige Benjamin das Trikot Portugals, wettet aber gegen die Mutter: "3:1 für Deutschland." Sie sagt: "Es wird spannend."

Eine Leinwand und einen Fernseher haben sie in der Breitgasse aufgestellt, eine Dame mahnt forsch: "Setzt euch hin, ich seh nix." Man setzt sich, Sekunden später steht sie selbst - die Nationalhymnen. "Einigkeit und Recht und Freiheit" singt die Frau und die portugiesischen Fans ermahnen sich zischend zur Ruhe. Man möchte nicht unhöflich sein. Einen Jägerzug von der Furth und ein Fahnenzug aus Neuss haben sie eingeladen. Am Ende der Tafel steht ein Schild "Reservado Thomas", mittendrin sitzt Thomas Cremer im deutschen Trikot und glaubt, dass Ronaldo und Özil treffen werden. "Sowas hier müsste man bei jedem Länderspiel machen", sagt er, und: "1:1!" Es geht los und kommt anders.

Man kann den Spielverlauf nun an der Körpersprache der Fans ablesen: wie sie sich in ihren Stühlen nach vorne lehnen, die Fäuste ballen, und enttäuscht zurückfallen lassen.

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Sie schütteln die Köpfe, raufen sich die Haare, dann Jubelschreie, ein breitschultriger bärtiger Mann schimpft, und wer des Portugiesischen nicht mächtig ist, versteht kein Wort, aber hat in etwa eine Vorstellung. "Deutschland...Chance...Führung gehen." Der Fernsehkommentar ist kaum noch zu hören, so laut ist es jetzt. Müller schiebt links unten ein, der Bärtige schlägt sich die Hände vors Gesicht. 1:0.

In der Halbzeitpause steht er vor der Tür, er trinkt portugiesisches Bier, das hei ßt - echt wahr - "Super Bock", aber die Lust ist ihm längst vergangen. "Ich hoffe, dass es vielleicht 3:1 ausgeht", sagt José Lopes da Silva, "aber es sieht ja eher so aus, als wenn Deutschland noch eins schießt." Kurz darauf wird Portugal ein Elfmeter verwehrt, das hätte der Ehrentreffer werden können. Im Fernsehen schreit Ronaldo den Schiedsrichter an, die Portugiesen schreien den Fernseher an. Zwei Minuten später trifft Müller erneut. Die deutschen Fans klatschen im Takt, "Oh, wie ist das schön", José Lopes da Silva verkriecht sich unter seiner Fahne. Benjamin hat sich umgezogen. Der Sechsjährige trägt nun ein Deutschlandtrikot. Hat er doch gleich gesagt, die gewinnen.

(NGZ)
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