Andreas Riegel "Schmiergelder zerstören Existenzen"

Neuss · Anwalt Andreas Riegel leitet die Regionalgruppe der Organisation "Transparency Deutschland". Am Dienstag hält der Korruptionsexperte einen Vortrag in Neuss – und erklärt im Vorfeld, wie Schmiergeldzahlungen vermieden werden können.

 Korruptionsexperte Andreas Riegel hält einen Vortrag in Neuss.

Korruptionsexperte Andreas Riegel hält einen Vortrag in Neuss.

Foto: archiv

Herr Riegel, ist Klüngel eigentlich schon Korruption?

Andreas Riegel Das kommt darauf an, wie weit dieser Klüngel geht. Wenn etwa einem städtischen Angestellten Vorteile mit Blick auf seine Dienstausübung angeboten, versprochen oder gewährt werden, auf die kein Anspruch besteht, ist das Korruption. Man spricht dann von Vorteilsgewährung. Wichtig ist, dass es noch nicht einmal zu einer tatsächlichen Zuwendung kommen muss, um sich strafbar zu machen – das Angebot eines Vorteils reicht dafür aus.

Ist Neuss, das auf seine rege Vereinskultur stolz ist, besonders anfällig für Korruption?

Riegel Eine rege Vereinskultur ist wichtig, sie fördert das gesellschaftliche Zusammenleben. Daher kann man nicht sagen, dass Neuss besonders korruptionsanfällig ist. Aber es sollten sich alle bewusst sein, dass Korruption ein verbreitetes Phänomen ist, mit einer Dunkelziffer, die auf 90 bis 95 Prozent geschätzt wird. Dort, wo es um Geld geht, insbesondere um lukrative Aufträge, Immobiliengeschäfte oder um Genehmigungen, ist Korruption immer eine ernstzunehmende Gefahr. Wer das leugnet, ist naiv.

Nicht selten werden in Vereinen Aufträge oder Arbeitsplätze unter der Hand verteilt. Fair ist das nicht. Doch was lässt sich dagegen tun?

Riegel Die Vergabe von Aufträgen unter der Hand ist in der Regel ein ernstzunehmender Korruptionsindikator. Korruption ist kein Kavaliersdelikt, und wer Aufträge einem fairen, echten Wettbewerb entzieht, hat allzu oft nur seine eigenen Interessen im Sinn. Korruption und Vetternwirtschaft führen zu unwirtschaftlicher, überteuerter Beschaffung. Wer keinen Konkurrenzdruck hat, der kalkuliert nicht scharf, sondern teuer. Die Zeche bezahlt der Steuerzahler, denn das Ganze geht zulasten der kommunalen Haushalte.

Wie schadet Korruption der lokalen Wirtschaft?

Riegel Vor allem werden die Unternehmen geschädigt, die auf ehrliche Art und Weise agieren, aber wegen der Schmiergeldzahlungen anderer keine Aufträge mehr bekommen. Ich selbst hatte mit einem Unternehmen im süddeutschen Raum zu tun, das entscheiden musste, entweder auch Schmiergeld zu zahlen oder in der eigenen Kommune keine Aufträge mehr zu bekommen. Da geht es um das nackte Überleben, um Arbeitsplätze und Familien. Weitere Schäden betreffen die öffentliche Hand, die überteuert einkauft oder minderwertige Leistungen erhält.

Wie wird Korruption bestraft?

Riegel Die Amtsträger verlieren nicht selten alles: ihren Arbeitsplatz, die Altersversorgung, den sozialen Status. Das Schmiergeld zahlende Unternehmen muss unter anderem mit massiven Schadensersatzforderungen rechnen, zudem ist der Reputationsverlust gewaltig.

An wen können sich Bürger eigentlich wenden, wenn sie einen Korruptionsverdacht äußern wollen?

Riegel Auf kommunaler Ebene gibt es dafür häufig Anti-Korruptionsbeauftragte. Beobachtungen können auch Polizei und Staatsanwaltschaft mitgeteilt werden. Wenn die Staatsanwaltschaft den sogenannten Anfangsverdacht bejaht, ist sie bei den Delikten, die unter Korruption verstanden werden, gesetzlich verpflichtet, zu ermitteln. Da spielt es keine Rolle, ob der Hinweis anonym war. Wichtig ist eine detaillierte Schilderung des Sachverhalts. Nur dann kann geprüft werden, ob ein Anfangsverdacht besteht.

HANNA KOCH FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(NGZ)
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