Neuss Satirische Lektion in Sachen Demokratie

Neuss · Jens Neutag und Martin Maier-Bode lästerten in ihrem neuen Programm "fertig!", dass sie im ausverkauften Theater am Schlachthof zeigten, über Spitzenpolitiker, Medien und Marotten. Weitere Termine soll es im neuen Jahr geben.

 Sie sehen auch richtig "fertig!" aus: Martin Maier-Bode und Jens Neutag haben wieder ein gemeinsames Programm gestaltet.

Sie sehen auch richtig "fertig!" aus: Martin Maier-Bode und Jens Neutag haben wieder ein gemeinsames Programm gestaltet.

Foto: Thomas Grünholz

Ein Desaster ist das Ergebnis der Bundestagswahl für viele Kabarettisten, die mit dem Ausscheiden der FDP ihr liebstes Objekt verloren haben. Viele von ihnen schätzen sich glücklich, dass es immerhin noch Sigmar Gabriel und Roland Pofalla als Zielscheibe ihres Wortwitzes gibt. Mit der Kampagne "Demokratie für Deutsche" ziehen jetzt Jens Neutag und Martin Maier-Bode durchs Land: pädagogisch, zielgruppenorientiert, grellkomisch. Und bitterböse. Ein wunderbares neues Programm haben sie wieder gemeinsam auf die Beine gestellt und lästerten am Sonntag bei der Neusser Premiere von "fertig" im Theater am Schlachthof kräftig über die Politiker.

Eine turbulente Kernhandlung, Bewährtes wie ein Exkurs zu Müller und Strunz vom Rheinischen Traditionsverein "Rappelmänner e.V.", Maier-Bodes bekannte Hitlerparodien und das schlagfertige Gefrotzel der beiden untereinander, waren der Rahmen für den skeptischen Blick auf die aktuelle Lage einer Nation, in der allenfalls noch der Blick auf Umfragewerte politisches Handeln motiviert.

Ohnehin gibt es angesichts von 17 Millionen Nichtwählern, immerhin so viele — gab Neutag zu bedenken — wie die Einwohner von sieben Bundesländern, guten Grund, über Basisdemokratie und andere Herrschaftsformen nachzudenken. Etwa über die Autokratie ("das ist keineswegs die Herrschaft der Autolobby") und die Kleptokratie ("die Herrschaft der Korrupten, etwa nach dem Modell der Fifa"). Ein Bundeskanzler der Nichtwähler müsste im Grunde ein Nichts sein, überlegte Neutag, "das wär also Westerwelle ohne Akne".

Über die Kompetenz in Sachen Inkompetenz, die arbeitslose Abgeordnete als Bewerbungsqualifikation angeben könnten, über ihre Wowereit-geschulte Fähigkeit, zu lügen, ohne rot zu werden, über die "Lady Gaga aus der Uckermark" und den Job des "Popbeauftragten der SPD", der einst das einzige gewesen sei, womit man Sigmar Gabriel zu beschäftigen wusste, lästerte und erzählte das eingespielte Duo sich quer durch den bundesdeutschen Alltag.

Dabei waren die kleinen klugen Analysen und Vergleiche zwischen früher und heute ("damals haben wir Widerstand geleistet gegen die Volkszählung und das wegen Daten, die jeder heute schon an der IkeaKasse bereitwillig herausgibt") zielsicher, bilanzierten den alltäglichen Wahnsinn sachlich und messerscharf. Über die Ursprünge und Besonderheiten der Demokratie philosophierten die beiden in einem fiktiven Gespräch zwischen Gyros-Erfinder Stavros und Demokratie-Erfinder Aristoteles, nahmen vor allem die "kontinuierliche und konsequente deutsche Unfähigkeit zum Ungehorsam seit 1848" aufs Korn. Natürlich waren auch die Medien Thema der bissigen Satiriker. Sie zitierten einen Schreiber, der stilistisch "zwischen Hölderlin und Charles Bukowski mit den sprachlichen Mitteln von Lukas Podolski", über Bio-Eier und anderes schwadroniere.

Ein fröhliches Chaos, rasant, turbulent, fröhlich, zwischen brillanter Analyse und nachdenklichen Einwürfen war diese Nachhilfestunde in Sachen Demokratie. Zum Schluss gab's den Ausweis für "geprüfte Demokraten", auf der Rückseite eines Gutscheins, einzulösen an jeder Autobahntoilette.

(KaTze)
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