Neuss Rotkäppchen und der röhrende Hirsch

Neuss · Die vierte Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Heiliger Bimbam" stand ganz im Zeichen des Heimatbegriffs. Eine Annäherung versuchten Sebastian Zarzutzki sowie die Ensemblemitglieder Ulrike Knobloch und Jonathan Schimmer.

 Im Dirndl und mit Lockenwicklern machte sich Ulrike Knobloch (hier mit Moderator Sebastian Zarzutzki) mit viel Temperament im Studio des Rheinischen Landestheaters auf die Suche nach dem, was typisch deutsch und was Heimat ist.

Im Dirndl und mit Lockenwicklern machte sich Ulrike Knobloch (hier mit Moderator Sebastian Zarzutzki) mit viel Temperament im Studio des Rheinischen Landestheaters auf die Suche nach dem, was typisch deutsch und was Heimat ist.

Foto: A. Woitschützke

Goethe als Büste auf dem Klavier, ein Schäferhund aus Porzellan, ein röhrender Hirsch im Eichenrahmen, ein Foto von Bundespräsident Gauck und auch ein selbstgefällig grinsender Gartenzwerg waren Teil des Bühnenbilds: In der Veranstaltungsreihe "Heiliger Bimbam", die am Freitag im Studio des Rheinischen Landestheaters aufgeführt wurde, drehte sich alles um die Frage: Was ist Heimat?

Dass der Gartenzwerg für Deutschland steht wie die Pizza für Italien oder die Queen für England, lässt sich nicht mehr ändern. Doch was macht die Deutschen und ihr Heimatgefühl noch aus? Das versuchten der Moderator Sebastian Zarzutzki sowie die Ensemblemitglieder Ulrike Knobloch und Jonathan Schimmer zu ergründen.

Sie im Dirndl und Lockenwicklern, er stilecht mit Adiletten über den Tennissocken, diskutierten, was eigentlich typisch deutsch sei, warum sich nur 35 Prozent der Deutschen dafür halten und wieso japanische Schulkinder das Lied von der Loreley auswendig lernen. Pünktlichkeit, Disziplin und Ordnungsliebe nach wie vor charakteristisch für die Deutschen, beim Bierkonsum hingegen haben uns die Tschechen überholt. Der Deutschen liebstes Getränk ist Kaffee, was bei den genannten deutschen Tugenden auch kein Wunder sei, wie Jonathan Schimmer treffend bemerkte. Und dass deutscher Humor sei, wenn man trotzdem nicht lacht, wurde des Öfteren widerlegt.

Das mal klamaukige, mal ernsthafte Gespräch wurde immer wieder unterbrochen von Gesangseinlagen, Aktionen und Spielen, bei denen das Publikum munter mitmischte.

Ulrike Knobloch, in Dresden geboren, gab eine sprachliche Kostprobe aus ihrer Heimat zum Besten und trug in schönstem Sächsisch Verse der Mundartdichterin Lene Voigt vor. Nicht fehlen durfte der deutsche Märchenwald. Die Geschichte vom Rotkäppchen zum Beispiel wurde den Anwesenden drastisch samt Kettensägenmassaker zu flackerndem Licht und wilder Musik vor Augen geführt. Doch wie schön: Am Ende siegt das Gute.

Dass es in der deutschen Geschichte nicht immer ausging wie bei Grimms Märchen, wurde allerdings auch nicht ausgeblendet. Sebastian Zarzutzki gab zu, bei dem Thema gezögert zu haben. Doch ob die Reihe "Heiliger Bimbam" die richtige Plattform für eine Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der Deutschen sei, beantworteten die Schauspieler prompt. Ein kleines schwarzes Bärtchen über der Oberlippe und eine Folie über dem Mikrofon reichten Jonathan Schimmer völlig aus, um den "Führer" optisch und akustisch eindrucksvoll zu mimen.

Ein Höhepunkt ganz anderer Art folgte: Der obligatorische Studiogast, angeblich geladen, um über die Tradition des Neusser Schützenfestes zu erzählen, kam schnell zu seinem eigentlichen Anliegen und machte seiner sichtlich gerührten Freundin vor Publikum einen gelungenen Heiratsantrag.

Und das Fazit? Sind die Darsteller dem, was Heimat bedeutet, ein Stück näher gekommen? Das Publikum antwortete mit kräftigem Schlussapplaus.

Die 5. und letzte Ausgabe der Reihe "Heiliger Bimbam" findet am Freitag, 17. Mai, im RLT statt.

(NGZ)
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