Shakespeare-Festival in Neuss Romeo und Julia kommen aus Potsdam

Neuss · Das Poetenpack aus Potsdam zeigt seine Inszenierung „Romeo und Julia“ im Neusser Globe in insgesamt drei Vorstellungen. Das freie Theater hat das Liebesdrama zum 20-jährigen Bestehen der Truppe erarbeitet.

 Romeo und Julia sind tot, ihre Eltern, die Capulets erstarren förmlich ebenso wie Benvolio und Lady Montague (r.).

Romeo und Julia sind tot, ihre Eltern, die Capulets erstarren förmlich ebenso wie Benvolio und Lady Montague (r.).

Foto: Christoph Krey

Die Premiere ist gerade mal zwei Wochen her, und schon reisen die Schauspieler mit ihrem Stück von Brandenburg ins Rheinland, um die Tragödie an dem Ort zu zeigen, für den sie auch geschrieben ist. Das Poetenpack Potsdam ist mit seinen 20 Jahren vermutlich älter als die Hauptpersonen des wohl bekanntesten Liebesdramas der Welt: „Romeo und Julia“. Auch wenn die Übersetzung mitunter recht frei ausfällt – die Geschichte spielen die zehn Darsteller unter der Regie von Andreas Hueck weitgehend shakespearegetreu nach.

So endet das Spiel, wie es immer endet: mit dem Tod des Liebespaars in der Gruft der Capulets, der die beiden verfeindeten Familien endlich bewegt, einander die Hand zu reichen. In der Inszenierung der Potsdamer liegt allerdings viel Luft dazwischen, da berührt keine Hand die andere, es scheint, als ob die einen wie die anderen am eigenen Friedenswillen und dem der anderen zweifeln.

Rund zweieinhalb Stunden sind bis dahin vergangen, wobei Hueck den Text dort sinnvoll eingestrichen hat, wo er vor allem mehr Personal erfordert. Kein Chorus am Anfang, der in die Geschichte einführt, das überträgt Hueck auf Bruder Lorenzo (Reiner Gabriel), der im dunklen Habitus des Priesters (mit blauen Schuhen!) auf der Bühne geduldig wartet, bis auch der letzte Zuschauer sitzt und verstummt. Keine Diener der beiden Herrscherhäuser, keine Wächter, kein Apotheker, keine Pagen, das Haus Montague wird allein von Romeos Mutter verkörpert – die Potsdamer Inszenierung konzentriert sich ganz auf die Hauptpersonen um das Liebespaar herum: Bruder Lorenzo, Ehepaar Capulet, Julias Amme sowie Cousin Tybalt und Verehrer Graf Paris, Lady Montague und Romeos Freunde Benvolio und Mercutio.

Dass vor allem Letztgenannter ungestüm daherkommt, respekt- und gedankenlos, und alles irgendwie niederwalzt, wird von Andreas Klopp mit sichtbarem Vergnügen auch gerade am körperlichen Spiel gezeigt. Laut und rabaukig geht es vor allem dank ihm bei den Freunden zu. Wenn er provoziert, macht er es aus purem Spaß an der Freude ohne einen Gedanken an die Konsequenzen zu verlieren. Da kommt auch das Publikum nicht ungeschoren davon. So kotzt Mercutio betrunken in die erste Reihe und wirft der seine besudelte Clownsmaske mit den Worten „gerne sauber machen“ hin. Und was sagt er wohl, als er von Tybalts Schwert tödlich getroffen wird? „So stirbt ein Gott.“

Auch wenn das zu diesem Typus passt: Kann man so machen, muss man aber nicht. Oder wenigsten Schauspieler haben, die dagegen halten können. Als Romeo zum Beispiel, aber Florian Bamborschke den frisch Verliebten und später so Verzweifelten abzunehmen, fällt ebenso schwer wie seiner Julia (Julia Borgmeister) das kindlich Naive und den Gehorsam gegenüber dem Vater. Aber das braucht es, um nachzuvollziehen, warum diese beiden nicht voneinander lassen können.

Shakespeare verzeiht wirklich vieles, aber konsequent sollte der Zugriff auf sein Werk schon sein. Und da scheint es bei der Inszenierung zu hapern: Die Sprache ist zwar deftig und derb, aber an vielen Stellen auch holprig und unlogisch. Das mag daran liegen, dass sich Hueck aus 29 Übersetzungen, wie er in der Einführung zugegeben hat, das jeweils Passende für den Charakter herausgesucht hat. So ist für Vater Capulet Tochter Julia eine Hure und ein Flittchen. Aber warum? Weil das Verona der Familien Capulet und Montague eine Männerwelt ist? Huecks Inszenierung behauptet das nur, als Nachweis ist das zu wenig.

An der Ausstattung (Janet Kirsten) und auch an der Musik (Arne Assmann, der auch ein Saxophon wunderbar klagen lässt)) liegt es nicht. Die Welt von Romeo und Julia ist entweder schwarz (Capulets) oder weiß (Montagues), die Bühne mit ihren Treppen ist ein Sinnbild für das ständige Auf und Ab der Gefühle und passt auch ins Globe. Und Stefan Lenz hat mit den Spielern wunderbare Kampfchoreografien erarbeitet.

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