Neuss Romeo und Julia suchen ihr Glück

Neuss · Das 25. Shakespeare-Festival ist eröffnet. Zum Auftakt gab es das bekanntste Liebesdrama des Elisabethaners: "Romeo und Julia".

 Ihre letzten glücklichen Momente im gemeinsamen Leben: Julia (Daisy Whalley) und Romeo (Paapa Essiedu) nach ihrer Hochzeitsnacht.

Ihre letzten glücklichen Momente im gemeinsamen Leben: Julia (Daisy Whalley) und Romeo (Paapa Essiedu) nach ihrer Hochzeitsnacht.

Foto: Christoph Krey

Ein Geräusch schwillt an, als ob das Globe gleich abheben wollte. Ein Brummen, das zum Dröhnen wird, parallel zum Gesang auf der Bühne, dessen lyrische Töne in den von seitwärts einbrechenden, dunkel-drohenden untergehen. Ein Vorbote dessen, was da kommt: Glück und Leid des Liebespaares Romeo und Julia. In einer Version der Regisseurin Polina Kalinina und ihrer Truppe Shakespeare at the Tobacco Factory aus Bristol, die wie im Original von William Shakespeare mit dem Tod der Liebenden und der Versöhnung der verfeindeten Familien Capulet und Montague endet.

Das wohl bekannteste Liebesdrama der Weltliteratur ist allemal ein würdiger Auftakt für das erste Jubiläum des Neusser Shakespeare-Festivals. Seit 25 Jahren wird an der Rennbahn nun alljährlich vier Wochen lang Shakespeare (gelegentlich auch ein Zeitgenosse) gespielt - da ist es doch nur passend, mit einem seiner berühmtestens Stücke zu starten. Kalinina hat es in seiner Originalsprache belassen, aber gestrafft, einige Stellen rausgestrichen und damit ihrer Inszenierung durchaus eine stilsichere Dynamik gegeben. Denn sie versetzt die Geschichte in die Neuzeit, sie spielt irgendwann in den 1960erJahren. Romeo und Julia sind zwei unbeschwerte Teenager, die das Leben und die Liebe lieben. Und den Moment. So weiß man nicht genau: Verlieben sie sich nicht nur deswegen ineinander, weil sie das Gefühl an sich mögen? Kalininas Inszenierung legt das nahe. Und damit bugsiert sie ihre Arbeit in eine nicht geringe Fallhöhe. Wie kann aus so viel Unbeschwertheit ein solches Drama erwachsen?

In der ersten Hälfte funktioniert ihre Lesart wunderbar. Paapa Essiedus Romeo ist ein schlaksiger, zwischen Verlegenheit und Großspurigkeit pendelnder Charmebolzen, der sich mit der ganzen Unbedingtheit der Jugend in Julia verliebt. Diese ist bei Daisy Whalley ein nettes und schlichtes Mädchen, das nicht recht weiß, wie ihm mit seinen plötzlichen Gefühlen für Romeo geschieht. Ihre Umwelt ignorieren die beiden, glauben gar nicht erst daran, dass irgendetwas ihre Liebe zerstören könnte. Die Wirklichkeit holt sie ein, als Romeos bester Freund Mercutio (ein böser Scherzbold: Oliver Hoare) von Juliets Cousin Tybalt getötet und dieser wiederum von Romeo in einem rasenden Wutanfall erstochen wird.

Die Choreographien der Kämpfe (und auch die des Maskenballs) sind wahrlich beeindruckend. Das ist auch die schlichte, aber sprechende Bühne von Emma Bailey. Sie besteht nur aus einer Drehscheibe mit drei Stahlrohrbügeln, die an ein Kinderkarussell auf einem Spielplatz erinnert. Bis diese Bügel einzeln herausgenommen und zu Waffen werden. Eine wunderbare Entsprechung für diese Inszenierung, die innerhalb der ersten Hälfte in klarer Linie von spielerischer Leichtigkeit zu bedrohlichem Ernst führt.

Die zweite Hälfte wirkt dagegen fast uninspiriert. Die Hochzeitsnacht atmet noch einen Rest von Unbeschwertheit und schon das Ahnen um das Ende. Als Romeo die vermeintlich tote Julia zum letzten Mal küsst, regt sich zaghaft ihr rechter Arm. Allein er sieht es nicht. Aber das ist es auch schon. Also nimmt das Drama seinen Lauf, das Ende ist gar von unfreiwilliger Komik. Romeo vergiftet sich - und stirbt mit spektakulärem Zappeln und weißem Schaum vorm Mund. Die wiedererwachte Julia küsst ihm das Gift von den Lippen - aber wischt erst mal den Schaum von denselben. Ganz und gar undramatisch.

(NGZ)
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