Neuss "Rohstoff zwischen den Ohren"

Neuss · Bundeswirtschaftsminister zu Guttenberg bei der Mittelstandvereinigung der CDU im Kreis: "Deutschland kann die Krise meistern. In außergewöhnlichen Situationen war das Land immer zu außergewöhnlichen Leistungen fähig."

 Mit Applaus empfangen (v.l.): Wirtschaftsminister zu Guttenberg, CDU-Bundestagskandidat Ansgar Heveling und Staatsminister Hermann Gröhe.

Mit Applaus empfangen (v.l.): Wirtschaftsminister zu Guttenberg, CDU-Bundestagskandidat Ansgar Heveling und Staatsminister Hermann Gröhe.

Foto: F. Möll

Er schreibt Autogramme, posiert für Erinnerungsfotos und schüttelt Hände im Sekundentakt: Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg wurde gestern auch in Neuss seinem Ruf als derzeit beliebtester deutscher Politiker gerecht. Vor über 400 geladenen Gästen redet der Bundeswirtschaftsminister auf Einladung der Mittelstandsvereinigung der Kreis-CDU.

 Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (r.) in Neuss: Vor dem Zeughaus wurde er von Ansgar Heveling (l.), CDU-Bundestagskandidat aus Korschenbroich, und Staatsminister Hermann Gröhe begrüßt.

Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (r.) in Neuss: Vor dem Zeughaus wurde er von Ansgar Heveling (l.), CDU-Bundestagskandidat aus Korschenbroich, und Staatsminister Hermann Gröhe begrüßt.

Foto: woi

Obwohl seit den Morgenstunden (wieder einmal) die Zukunft von Opel die Schlagzeilen beherrscht, nimmt der "geduldete Bayer", zu Guttenberg über zu Guttenberg, den Namen des Autobauers nicht in den Mund. "Besteht das Land nur noch aus einem Konzern? Diese vier Buchstaben sind kein Grund, ein Gespräch mit dem Mittelstand abzusagen."

 Gast und Gastgeber im Neusser Zeughaus (v.l.): Dr. Jens Hartmann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) in Rhein-Kreis Neuss, Staatsminister Hermann Gröhe MdB, Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg, Ansgar Heveling, CDU-Bundestagskandidat aus Korschenbroich.

Gast und Gastgeber im Neusser Zeughaus (v.l.): Dr. Jens Hartmann, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) in Rhein-Kreis Neuss, Staatsminister Hermann Gröhe MdB, Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg, Ansgar Heveling, CDU-Bundestagskandidat aus Korschenbroich.

Foto: A. Woitschützke/ngzo

Wahlkampftaktik? Der Minister winkt ab. Die Menschen seien der Phrasen überdrüssig. Wenn Politiker kurz vor der Wahl verkündeten, eine Summe X an Arbeitsplätzen zu schaffen, werde dies kaum noch ernst genommen: "Das glaubt uns doch kein Schwein mehr." Der Minister will lieber "das Herz sprechen lassen" — ohne Manuskript, mehr auf Grundsätzliches als auf (Brand-)Meldungen aus Berlin konzentriert.

Der Franke steht Wahlkampfgetöse betont skeptisch gegenüber (und punktet damit beim lautstark applaudierenden Publikum). Er spricht von Kärrnerarbeit, Bodenständigkeit und Demut vor dem Amt. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeworfen wird, im Wahlkampf nicht aggressiv genug aufzutreten, hält er für töricht: "Wir sollten froh sein, dass sich jemand so besonnen verhält und einfach seine Arbeit macht."

Gute Politiker, so der Minister, sollten, auch wenn sie plötzlich im Rampenlicht stehen, "nicht abheben". Ein Statement in eigener Sache? Den Verweis auf die eigene Blitzkarriere liefert der Minister selbst. Das klingt nicht aufgesetzt oder klagend, eher analytisch. Genau hinsehen, hinterfragen, sich eine Meinung bilden und diese dann auch konsequent vertreten, so definiert zu Guttenberg sein Verständnis politischer Arbeit — und seine Forderung an die Kollegen der eigenen Zunft.

Mit Blick auf die Finanz- und Wirtschaftskrise mahnt er nicht nur Vorsicht bei Prognosen an, die die Rezession schon überwunden sehen. Der CSU-Politiker will auch die Ursachen der Krise noch tiefer analysiert wissen. Es reiche zum Beispiel nicht, Managern großer Konzerne oder Banken die Boni zu streichen. Auf die Tagesordnung gehöre auch die Frage der persönlichen Verantwortung "bei Verlust und Versagen", so wie sie jeder Mittelständler auch zu tragen habe.

Die deutsche Wirtschaft, so zu Guttenberg, habe zwar die konjunkturelle Talsohle durchschritten, 2010 werde aber noch deutlich von der Krise geprägt sein. Entsprechend schlecht seien die Prognosen für den Arbeitsmarkt. Keine populäre Botschaft im Wahlkampf, zu Guttenberg weiß das, er hält sie dennoch für richtig: "Damit machen Sie niemanden glücklich, aber die Menschen wollen, dass ihnen endlich jemand die Wahrheit sagt." Das unterscheide die Union von anderen, die vor der Wahl noch Unternehmen mit Rettungsaktionen zur Hilfe eilten, die über den Wahltag hinaus keinen Bestand hätten. Verklausuliert als "Gazprom-Diplomat" nahm zu Guttenberg Alt-Kanzler Gerhard Schröder und sein Engagement für das Bauunternehmen Holzmann aufs Korn.

Auch wenn es ihm den Ruf des Kaltherzigen eingebracht hat: Der Wirtschaftsminister verteidigt seine Haltung gegenüber hilfesuchenden Firmen. Wenn, wie im Fall des Kaufhaus-Konzerns Arcandor, weder die Eigentümer noch die Gläubiger in der Lage oder willens seien, ins Risiko zu gehen und zu investieren, sei dies auch dem Steuerzahler nicht zuzumuten.

Wer argumentiere, dass es angesichts der Rettungsschirme und Konjunkturpakete auf zwei, drei weitere Milliarden nicht mehr ankomme, gefährde die Zukunft des ganzen Landes: "Der reißt künftigen Generationen den Borden unter den Füßen weg." Ausgabendisziplin, Soziale Marktwirtschaft, Flexibilität am Arbeitsmarkt, so skizziert der Minister zukunftsfähige Politik, zu der er auch Investitionen in Bildung zählt: "Unsere Rohstoffe liegen nicht im Boden, sondern zwischen den Ohren, im Kopf."

(RP)
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