„Die Perser“ im RLT-Studio Neuss Zwischen Aischylos und Elon Musk
Neuss · Im RLT-Studio ist mit „Die Perser“ das älteste noch erhaltene Bühnenstück der Welt zu sehen – als Gegenwartsdramatik.
Die letzte RLT-Premiere in dieser Spielzeit fand im Studio statt. Gespielt wurden „Die Perser“ von Aischylos. „Ein Stück Gegenwartsdramatik“ nennt der Dramaturg Sebastian Zarzutzki das älteste noch erhaltene Bühnenspiel der Welt. Und so inszenierte es auch der junge Adrian Linz. „Hybris“, der Wille des Menschen, sich über die Ordnung der Götter hinwegzusetzen, ist das Hauptthema der Beiden. Ein Vertreter dieser Überheblichkeit ist Elon Musk, der Gründer von SpaceX.
Der Schauspieler Richard Lingscheidt betritt zu Beginn des Abends einen roten Marmorblock und erläutert Musks Vision von einer Zukunft im All. „Dieser Planet ist unrettbar verloren,“ lautet die Botschaft, „wir werden Städte auf dem Mars errichten.“
Richard Lingscheidt wird im Laufe der folgenden 70 Minuten noch als von den Toten auferstandener Perserkönig Darius, als dessen Sohn und Thronfolger Xerxes, als Bote der furchtbaren Niederlage bei der Seeschlacht von Salamis und als US-Präsident Ronald Reagan auf den Marmorblock steigen. Sein Kollege Pablo Guaneme Pinilla sitzt anfangs noch im Publikum, um dann als Vertreter der persischen Hofgesellschaft und als Chor zu agieren. Im Mittelpunkt der eigentlichen „Perser“-Handlung aber steht Katharina Dalichau als Königinmutter Atossa.
Sichtlich erfreut über die unterwürfige Haltung ihrer Umgebung ist sie dennoch voller Sorge um den Ausgang des persischen Heereszuges gegen die Griechen. Sie hatte bereits Alpträume, die man ihr ausreden will. Dennoch bleibt sie dabei: „Was wird aus dem Reich, wenn es niemand mehr beschützt?“ Später, nach der Nachricht von der Niederlage und dem knappen Überleben des Xerxes, wird sie düster feststellen: „Von nun an wird in Persien keiner mehr dem König gehorchen.“ Für ihre Rollenwechsel bedienen sich die drei Darsteller an einem Kleiderständer. Dalichau nimmt anfangs mit einem weit ausladenden Reifrock die Huldigung des Volkes entgegen, um dann bei der Nachricht vom Unglück in einer Pose zu erstarren.
Ihre verkrampft ausgestreckten Hände machen es deutlich: die Dimension dieser Katastrophe ist unfassbar. „Niemals starben an einem einzigen Tag so viele Menschen in so kurzer Zeit.“ Wo denn um Himmels Willen dieses Athen liege, will Atossa vom Boten wissen und warum dort das Volk ohne einen Gottkönig lebt.
Der zentrale Bericht des Boten von der Schlacht bei Salamis lässt an die Military-Science-Fiction-Abenteuer des Films „Battlestar Galactica“ denken, bei dessen fiktiver Zivilisation die griechische Mythologie bekanntlich eine größere Rolle spielt. Und steht nicht das griechische Wort „Galaxis“ für unsere „Milchstraße“? Eine klare Einteilung der Welt in Gut und Böse, also ohne Zwischentöne, in überhebliche Perser und tapfere Griechen, das passt gut in die imaginierte Welt des „Outer Space“. Daher hat George Dhauw, ein Kommilitone des Regisseurs an der Amsterdamer Akademie für Theater und Tanz, für die Neusser „Perser“ eigens eine inspirierende Mischung von Sphärenklängen komponiert.
Manche schlichte Botschaft der Jetztzeit klingt, eingefügt in den Originaltext, ebenfalls archaisch: „Wenn wir mehr erreichen wollen als die Meisten, müssen wir mehr leisten als die Meisten.“ Besonders deutlich wird dies in der letzten Szene dieser Inszenierung. In einer Botschaft an die amerikanische Nation spricht Präsident Reagan über die Explosion der Raumfähre „Challenger“ (auf deutsch „Herausforderung“) am 28. Januar 1986, bei der alle sieben Astronauten ums Leben kamen.
Der Name des Raumschiffs sei und bleibe Programm, so der US-amerikanische Präsident. Welche Herausforderung? „Das Angesicht Gottes zu berühren.“ Mehr Hybris geht nicht. Begeisterter Premierenapplaus für diesen Theaterabend, der leider nur noch zweimal im Juni zu sehen sein wird.