Harte Strafe nach Prozess in Neuss Richter bezeichnet Diebe als "Seuche"

Neuss · Am Neusser Amtsgericht hat ein Richter hart durchgegriffen: Er schickt ein Einbrecher-Trio vom Balkan ins Gefängnis, um "ein Zeichen gegen eine gesellschaftliche Seuche" zu setzen. Die Täter hatten ein iPad gestohlen.

 Richter Heiner Cöllen

Richter Heiner Cöllen

Foto: woitschützke

Ein Amtsrichter aus Neuss zeigte Härte. Heiner Cöllen schickte am Donnerstag drei Angeklagte als "reisende und professionelle Einbrecher" für bis zu ein Jahr in Haft. Er wolle, so sagte Cöllen in der Urteilsbegründung, "ein Zeichen gegen eine gesellschaftliche Seuche" setzen. Das Strafmaß lag deutlich über der Forderung der Staatsanwaltschaft, die jeweils Bewährungsstrafen für angemessen gehalten hatte. Für das Schöffengericht kam aber eine Bewährungsstrafe nicht in Betracht. "Wie sollen bei Tätern aus dem Ausland die Bewährungsauflagen überwacht werden?", fragte Cöllen. Den Tätern müsse klar werden: "Einbrüche in NRW lohnen sich nicht."

Mit "gesellschaftlicher Seuche" zielte der Richter auf reisende Täter ab, die zumeist aus Südosteuropa stammen. Die in Neuss verurteilte dreiköpfige Familie bedient nahezu alle Klischees. Eine 33-jährige, sechsfache Mutter, ihr 15-jähriger Sohn und eine weitere 18-jährige Verwandte hatten ihre Heimat auf dem Balkan aufgegeben und sind über Italien nach Charleroi in Belgien gekommen. "Mit gefälschtem Kennzeichen am Wagen, ohne Führerschein und mit Einbruchwerkzeug an Bord ging es am Tattag Richtung NRW", so Richter Cöllen, "zwei der drei Angeklagten verfügen außerdem über so genannte Alias-Personalien. Das heißt, sie haben in der Vergangenheit falsche Namen und Geburtstage genannt."

Das Trio erklärte, es sei auf dem Weg zu einer herzkranken Verwandten in Bochum gewesen, als auf "Höhe Neuss" die Idee "spontan" geboren wurde, Geld zu stehlen. In einem bürgerlichen Vorort verschafften sich Mutter und Begleiterin mit typischem Einbruchswerkzeug Zugang zu einem Wohnhaus, durchwühlten alle Räume und türmten schließlich mit einem iPad.

Und genau dieses iPad wurde zum Schlüssel des Fahndungserfolges. Die Polizei wäre der Diebesbande vermutlich nie auf die Schliche gekommen, wenn nicht die Finesse des Hauseigentümers geholfen hätte. Birger Gröblinghoff (34) ist nämlich Mitinhaber des Elektrofachhandels "Expert" im Neusser Süden und mit modernen Kommunikationsmitteln bestens vertraut.

Die virtuelle Verfolgungsjagd, die nun folgte, würde jedes Drehbuch zu einem Kriminalfilm schmücken. Da sitzt Gröblinghoff am Computer in Neuss und ortet sein zuvor gestohlenes iPad dank einer Such-App. Live verfolgt er, wie sein Eigentum durch das Rheinland bewegt wird. Das Opfer alarmiert die Polizei und dirigiert per Handy einen Streifenwagen auf die Fährte der drei Einbrecher. Über Langenfeld geht es nach Düsseldorf. Unterwegs verlieren die Beamten den Kontakt nicht, weil sie telefonisch von Gröblinghoff auf Kurs gehalten werden. Als das Fluchtauto in der Landeshauptstadt anhält, schlägt die Polizei zu. Die Beamten finden — wie vermutet — im Fahrzeug das gestohlene iPad. Eine Frau und zwei Jugendliche werden festgenommen. Das war im Advent.

Vor Gericht in Neuss nahmen weder Richter noch Staatsanwalt den Angeklagten ab, sich "spontan" zu einem Einbruch entschlossen zu haben. Vielmehr zeigte man sich überzeugt, "professionelle, reisende Täter" vor sich zu haben, denen moderne Technik zum Verhängnis geworden war. Und dann griff Amtsrichter Cöllen hart durch.

(RP)
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