Neuss/Grevenbroich/Brüssel Rheinwerker demonstrieren in Brüssel

Neuss/Grevenbroich/Brüssel · 300 Hydro-Mitarbeiter zogen am Donnerstag Lärm schlagend vor der EU-Kommission auf. Im Rahmen eines europäischen Aktionstages demonstrierten sie für Wettbewerbsgleichheit in Europa. Denn das könnte ihr Werk retten.

Rheinwerk-Mitarbeiter demonstrieren in Brüssel
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Rheinwerk-Mitarbeiter demonstrieren in Brüssel

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6 Uhr Donnerstagfrüh am Rheinwerk. Schichtwechsel. Während in der Aluminiumhütte 150 Mitarbeiter der Tagschicht daran gehen, einen weiteren Tag mit gebremster Kapazität Aluminium zu schmelzen, bereiten sich fast 300 ihrer Kollegen auf eine Fahrt nach Brüssel vor. Bei der Europäischen Kommission werden sie mit Arbeitern aus Werken in sechs europäischen Nationen demonstrieren.

Für gleiche Chancen im Wettbewerb, für einen Ausgleich der Stromkostennachteile für die deutschen Metallhütten. Mit nach Hause nehmen werden sie das Versprechen von Philip Corday, abgegeben im Namen der europäischen Sozialdemokraten: "Wir unterstützen Euch. Wir haben den gleichen Gegner. Wir haben das gleiche Ziel."

Mit den Rheinwerkern fährt die Hoffnung, dass die EU-Kommission einem Vorschlag der Bundesregierung zustimmt, die als Kompensation für die im Stromtarif enthaltenen CO2-Kosten bis zu 17 Euro pro Megawattstunde erstatten will. Dass Aluminium aus Neuss nicht teurer produziert werden muss als in anderen europäischen Hütten. Dass ihr Werk und damit mehr als 700 Arbeitsplätze gerettet werden. Und dass — vielleicht, vielleicht — von den 374 stillgelegten Öfen einige wieder angeblasen werden.

Die Ergebnisse von den tags zuvor beendeten Tarifverhandlungen für ihre Branche nehmen sie unterwegs beiläufig zur Kenntnis. Sie fahren in einen Überlebenskampf — mit Luxusreisebussen.

11 Uhr in Brüssel. Die Organisatoren vom Europäischen Metallgewerkschaftsbund ordnen die Demonstranten, die nach stundenlanger Anfahrt zum Teil mit steifen Beinen aus den Bussen stolpern. Es sind weniger als erhofft. 2000, schätzen die Verantwortlichen, davon 900 aus zehn deutschen Standorten.

Solidarisch mit den von Schließung bedrohten Rheinwerken, haben sich auch 100 Hydro-Mitarbeiter vom Walzwerk Grevenbroich auf den Weg gemacht. Alu-Norf ist daheimgeblieben. "Enttäuschend", sagt der Betriebsratsvorsitzende Günther Appelstiel. Aber weiß auch: "Niemand ist so betroffen wie wir."

Seit einem Jahr schwebt das Damoklesschwert der Schließung über Deutschlands größter Alu-Hütte. In der Hoffnung auf eine politische Lösung beim Thema Strom wurde der norwegische Mutterkonzern von der Schließung abgebracht. Stattdessen wurden 80 Prozent der Produktion eingemottet — und abgewartet.

Jetzt steht die Entscheidung in Brüssel an. Eine Wegscheide. Stimmt die EU der Möglichkeit einer nationalen "Strompreis-Subvention" zu, hat das Rheinwerk wieder eine Zukunft. "Dann reden wir nicht mehr von Monaten, sondern von einer Perspektive für zehn bis 15 Jahren", sagt der mitgereiste Werkleiter Bernhard Eich. Andernfalls von Schließung.

Der Demonstrationszug der Lärm schlagenden Metaller zieht vorbei an den Amtssitzen von EU-Kommission, Europarat, Europaparlament. unüberhörbar. Bei der Abschlusskundgebung am Robert-Schumann-Platz stellen die drei Redner die Forderung der Hydro-Belegschaft in einen größeren Rahmen: "Es geht um die Frage, wie wir uns die wirtschaftliche Zukunft Europas vorstellen", sagt Reinhard Reibsch, Generalsekretär der Europäischen Föderation EMCBF. "Nur von Dienstleistungen alleine kann keine Gesellschaft überleben."

(NGZ)
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