Neuss Rheinwerk bangt um Bestand

Neuss · Die Feier zur Inbetriebnahme neuer Öfen bei Alunorf wurde gestern fast zu einer politischen Kundgebung für die Aluminiumindustrie. Grund: Die EU-Kommission will sich gegen Kompensationszahlungen an die Hütten aussprechen

 Die Aluminiumindustrie fordert nicht nur, sondern investiert selbst in Technologien, die sie international wettbewerbsfähig halten. Wie die fünf neuen Öfen, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen (M.) bei Alunorf in Betrieb nahm.

Die Aluminiumindustrie fordert nicht nur, sondern investiert selbst in Technologien, die sie international wettbewerbsfähig halten. Wie die fünf neuen Öfen, die Bundesumweltminister Norbert Röttgen (M.) bei Alunorf in Betrieb nahm.

Foto: St. Büntig

Sie haben gekämpft und demonstriert — jetzt können die Beschäftigten der Aluminiumwerke im "magischen Dreieck" Neuss-Grevenbroich nur noch abwarten. Und die Lage spitzt sich zu. Wenn die EU-Kommission am 20. Oktober ihre Einschätzung zu den beabsichtigen Kompensationszahlungen an die energieintensiven Industrien bekanntgibt, wird sie nach gegenwärtigem Stand der Dinge nicht dem Vorschlag der Bundesregierung folgen. Die Folgen könnten gravierend sein.

"Es kann nichts anderes geben als eine volle Kompensation der CO2-Belastung", hielt gestern Oliver Bell dagegen, Aufsichtsratsvorsitzender von Alunorf und Mitglied im Vorstand der Hydro Norsk Deutschland. Denn der Vorschlag der Regierung, den deutschen Hütten für die im Stromtarif enthaltenen CO2-Kosten einen Ausgleich in Höhe von bis zu 17 Euro pro Megawattstunde zu zahlen, ist auch die Hoffnung der Aluminiumindustrie auf faire Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb. Reicht der Vorschlag aus Brüssel nicht aus, so Bell mit Blick auf die seit Mai 2009 nur mit 20 Prozent Auslastung produzierende Neusser Aluminiumschmelze, "ist das Rheinwerk das erste, das fällt." Andernfalls dagegen stellte Bell bis 2020 Investitionen am Standort in einer Größenordnung von 100 Millionen Euro in Aussicht.

Dass die Aluminiumindustrie nicht nur fördert, sondern selbst an ihrer Wettbewerbsfähigkeit arbeitet, demonstrierte sie gestern. Im Beisein von Bundesumweltminister Norbert Röttgen gingen bei Alunorf fünf neue und vor allem energieeffiziente Glühöfen in Betrieb. Sie sparen jährlich nicht nur 8300 Tonnen des Klimagases CO2, sondern auch 4,9 Millionen Kilowattstunden Strom und 9,8 Millionen kw/h Erdgas. "Bannerträger einer klimaschonenden Industrie", lobte Röttgen die an diesem Projekt beteiligten Unternehmen. Und er betonte den unauflöslichen Zusammenhang zwischen einer starken Wirtschaft einerseits und dem Erreichen von Klimaschutzzielen und Schonung natürlicher Ressourcen andererseits: "Wir können nur auf beiden Feldern erfolgreich sein."

Doch die Industrie braucht für den Erfolg Chancengleichheit. Dafür wird in Brüssel und Berlin gekämpft. Neben der Euro-Stabilität sei die Frage der Ausgleichszahlungen momentan das europa-politische "Top-Thema für uns", unterstrich CDU-Generalsekretär Hermann-Gröhe. Und das bis in die Spitze der Bundesregierung hinein. "Wir waren vor zwei Tagen bei EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso", berichtet der Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz (CDU): "Da hat die Bundeskanzlerin im Gespräch auf den Tisch gehauen."

(NGZ)
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