Feuerwehr im Rhein-Kreis Neuss Heldentum im Turnbeutel
Rhein-Kreis · Zu den Aufgaben der Einsatzkräfte der Feuerwehr in einem Notfall zählt häufig nicht nur die Bewältigung des konkreten Ereignisses, sondern auch der Umgang mit den Betroffenen. Um das in Zukunft insbesondere bei Kindern besser leisten zu können, haben die Feuerwehren des Rhein-Kreises und die Notfallseelsorge nun sogenannte „HeldInnen-Rucksäcke“ entwickelt.
Vorgestellt wurde das Projekt nun von Stefan Meuter, Vorsitzender des Verbandes der Feuerwehren im Rhein-Kreis, Rabea Müller, Leitung des Ateliers artig und der Akademie artig sowie Angelika Ludwig von der ökumenischen Notfallseelsorge.
Grund für die Aktion ist die besondere Vulnerabilität von Kindern in Ausnahme- und Krisensituationen. „Je nach Befinden können Kinder sehr unterschiedlich auf schlimme Ereignisse reagieren“, erklärt die Kreisfeuerwehr in ihrer Mitteilung zum Projekt. So verstumme manches Kind, während andere heftige emotionale Reaktionen zeigen oder als Schutzmechanismus besonders kontrolliert und gefasst reagieren. Zunächst könne der „HeldInnen-Rucksack“ dazu dienen, vor dem Eintreffen psychologisch geschulter Kräfte der Notfallseelsorge eine Brücke zwischen der Einsatzkraft und dem Kind zu bauen.
Der Inhalt der blauen Turnbeutels umfasst sowohl ein Kuscheltier als auch Materialien zum Kreativwerden und zur Beschäftigung. Besonders das Stofftier solle zuerst eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme sein, heißt es in der Mitteilung. Auf dem Facebook-Kanal der Feuerwehr erklärt der Vorsitzende des Verbandes, Stefan Meuter, dass in vielen Fahrzeugen der Feuerwehr im Rhein-Kreis bereits solch flauschige Begleiter mitfahren, allerdings bisher weder kreisweit noch konzeptionell. Neben der Kontaktaufnahme und dem Spenden von Trost und Geborgenheit könne ein Stofftier auch bevorstehende Hilfsmaßnahmen demonstrieren. „Ein Stofftier ist für Kinder nicht nur ein Spielzeug“, betont die Feuerwehr, „sondern ein wichtiger Trostspender und kann bestenfalls in Notlagen helfen, diese ohne Traumatisierung zu überstehen.“
Eine wichtige Aufgabe bei der Betreuung von Kindern in Krisensituationen ist laut der Feuerwehr auch die Verringerung von Hilflosigkeits- und Ohnmachtsgefühlen, eine zentrale Strategie dazu sei die Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens. Das geschieht durch eigenes, konstruktives Bewältigungshandeln, für das der „HeldInnen-Rucksack“ unter anderem künstlerisches Material und kreative Beschäftigung bereithält. Nachdem das Kind den Rucksack mit seinem Namen personalisiert hat, kann es etwa durch Malen oder Schreiben das Erlebte verarbeiten, Gefühle kommunizieren oder sich einfach beschäftigen und ablenken. Falls das weiße Blatt das Kind überfordert oder es nicht auffordert, aktiv zu werden, hält der Rucksack alternativ auch eine Auswahl an Ideen und Malanlässen bereit, beispielsweise Mandalas oder Anregungen, eine eigene Heldenfigur mit Superkräften zu kreieren. So können eigene Ressourcen bildnerisch-erzählend ausgedrückt und in eine Gestalt gebracht werden. Im Mittelpunkt dieses künstlerischen Impulses stehe das Entdecken eigener Handlungs- und Lösungsstrategien sowie die Stärkung vorhandener Kompetenzen, erklärt die Feuerwehr.
Zuletzt spielt auch die Art und Weise der Kommunikation von Einsatzkräften mit Kindern eine Rolle bei deren Verarbeitung der Situation. „Für alle Kinder ist eine unmittelbare Ansprache, Zuwendung und Anteilnahme wichtig“, so die Feuerwehr. „Neben der Vermittlung von Sicherheit ist das Eingehen auf Gefühle ohne Bagatellisierung des Geschehenen zentral.“ Das Kind solle zwar altersgerecht und situationsangepasst, jedoch wahrheitsgetreu über die Situation und deren Konsequenzen informiert werden. Zusätzliche Strategien bei der Kommunikation mit Kindern beinhalten unter anderem grundlegende Eckpfeiler wie die persönliche Vorstellung und das Erfragen des Namens des Kindes, aber nach Möglichkeit auch das Einbinden von Personen, die dem Kind vertraut sind. Insgesamt sei es dabei wichtig, kulturelle, soziale und persönliche Besonderheiten des Kindes zu berücksichtigen.
Die Feuerwehr hofft, ihre Einsatzkräfte mit dem Rucksack bei der Stabilisierung der psychischen Situation von Betroffenen zu unterstüzen, da gerade der Umgang mit Kindern häufig eine zusätzliche Herausforderung für sie sei. Damit die Einsatzkräfte die neuen „HeldInnen-Rucksäcke“ in Zukunft fachgerecht anwenden können, werden sie in einer Schulung zusätzlich für die besonderen Bedürfnisse der Kinder sensibilisiert. Finanziert wurde die Aktion durch eine Spende der Sparkassenstiftung Neuss und dem Verband der Feuerwehren im Rhein-Kreis Neuss. Die Teddybären der Notfallseelsorge spendeten die „Spielleute Firlefanz“.