Hilfsangebot für Frauen in Neuss Wenn Gewalt die Beziehung beherrscht

Rhein-Kreis · Die Frauenberatungsstelle wird 40 Jahre, und sie ist wichtiger denn je. Denn die Zahl der Frauen, die dort Hilfe und Unterstützung suchen, wächst. Von den Anfängen auf ehrenamtlicher Basis hin zu einer Profi-Einrichtung.

Bürgermeister Reiner Breuer und das Team der Frauenberatungsstelle bei der Eröffnung der Bäume-Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen.

Bürgermeister Reiner Breuer und das Team der Frauenberatungsstelle bei der Eröffnung der Bäume-Ausstellung zum 40-jährigen Bestehen.

Foto: Andreas Woitschützke

40 Jahre ist sie alt und immer noch wundern sich Menschen, die davon erfahren, dass es solch eine Einrichtung überhaupt gibt. Ja, tut es, mitten in Neuss, und die Zahl der Frauen, die dort Rat, Hilfe und Unterstützung suchen, ist groß, wird immer größer. Rund 800 pro Jahr seien es, wie Sozialpädagogin Ursula Habrich sagt. Während der Corona-Pademie weniger, in diesem Jahr gehen die Mitarbeiterinnen aber davon aus, dass die 1000er Marke geknackt wird.

40 Jahre Frauenberatung – aus diesem Grund werden kreisweit 40 Bäume gepflanzt, die auch ein Symbol darstellen sollen. „Die Bäume wachsen langsam, bis sie irgendwann in voller Pracht stehen. Auch die Beratungen nehmen Zeit in Anspruch. Es erfordert in der Regel viele Gespräche bis Frauen, die zu uns kommen, wissen, was sie wollen, wie sie jetzt weiter vorgehen“, sagt Janne Gronen, Geschäftsführerin der Beratungsstelle am Markt, deren Träger der Verein „Frauen helfen Frauen“ ist. Der wurde übrigens bereits 1978 gegründet mit dem Ziel, etwas für Frauen zu tun, die von Gewalt bedroht sind. „Wir hatten vor, ein Frauenhaus in Neuss zu gründen“, sagt Ingeborg Hoffs-Beykirch vom Vorstand des Vereins. Das jedoch übernahm schließlich der Sozialdienst Katholischer Frauen, in dessen Trägerschaft das Neusser Frauenhaus auch heute noch ist.

 Bei Schloss Dyck startete die Baumpflanzaktion der Frauenberatungsstelle mit Janne Gronen (r.) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

Bei Schloss Dyck startete die Baumpflanzaktion der Frauenberatungsstelle mit Janne Gronen (r.) und Landrat Hans-Jürgen Petrauschke.

Foto: Uwe Dressler

Doch 1982 wurde die Frauenberatungsstelle eröffnet, die Adresse war damals an der Breite Straße. Erst 1986 jedoch, informiert Gronen, wurde das Ganze auf professionelle Beine gestellt – mit einer hauptamtlichen Fachkraft, die vom Land finanziert wurde, und einem Umzug an die Hymgasse. Im Jahr 2000 erfolgte dann der Umzug zum Markt. Mehr Räume waren notwendig geworden. Heute hat die Beratungsstelle vier ganze und eine Viertel Stelle. Einen regelrechten Beratungsschub erlebten die Mitarbeiterinnen, als 2002 das Gewaltschutzgesetz in Kraft trat. Das nämlich schützt Opfer von häuslicher Gewalt in erster Linie durch die Möglichkeit, die eigene Wohnung nutzen zu können, ohne den Lebensmittelpunkt weiterhin mit der gewalttätigen Person teilen zu müssen, heißt, die Polizei hat die Möglichkeit, den Täter der Wohnung zu verweisen.

„Durch eine Kooperation mit der Polizei können die Daten der Frauen an uns weitergeben werden, vorausgesetzt natürlich, die Frauen wollen das. Wir nehmen dann Kontakt auf“, berichtet Habrich. Vielen Frauen sei diese Vorgehensweise angenehmer. Denn selber initiativ zu werden, sei oft schwierig.

Gewalt an Frauen – das ist nicht nur die sichtbare körperliche, sondern auch psychische Gewalt. „Bis Frauen die erkennen, dauert es oft lange. Typische Anzeichen sind Kontrolle und Verbote. Verbote, sich zum Beispiel mit Freundinnen zu treffen oder allein wegzugehen, Handy-Kontrolle oder überhaupt Kontrolle, wann die Frau wo gewesen ist“, sagt Gronen. Nicht zwangsläufig führten die Beratungen zu einer Trennung. „Wenn Kinder da sind und der Mann zum Beispiel ein guter Vater ist, obwohl er seine Frau schlägt, ist es nicht leicht, zu gehen. Schließlich hat ja alles einmal mit Liebe begonnen“, fährt sie fort. Den Beraterinnen ist wichtig, eine Frau dorthin zu bringen, dass sie mit ihrer Entscheidung zufrieden ist, vor allem aber bereit ist, sie umzusetzen.

Gewaltthemen machen ungefähr die Hälfte der Themen aus, mit denen sich die Beratungsstelle beschäftigt. Aber es geht auch generell um Beziehungsprobleme, um Ängste, depressive Verstimmungen oder Essstörungen. „Wichtig ist es uns immer wieder, all diese Themen in der Öffentlichkeit präsent zu halten. Auch das Thema Prävention gehört zum Angebot. So werden Workshops in Schulen gemacht, Vorträge in der Beratungsstelle gehalten. Seit 2016 bietet der Verein auch zwei Kurse „Frauen können Kunst“ an, die Maria Gilges leitet. Ein Modemarkt findet zwei Mal pro Jahr statt. „Das ist für uns so etwas wie ein Tag der offenen Tür. So lernen Frauen ganz unverbindlich unsere Einrichtung kennen“, sagt Janne Gronen. Konzerte, Fachtagungen und Filmabende runden das Angebot ab. Frauen aus allen Gesellschaftsschichten und jeder Altersgruppe wenden sich an die Einrichtung. Denn eins weiß Janne Gronen sicher: „Gewalt hört auch im Alter nicht auf.“

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