Neuss Rennverein fällt mit Galopp-Konzept durch

Neuss · Politik kritisiert neue Forderungen und vermisst eine Vision. Entscheidung über Vertragsverlängerung fällt im Frühjahr.

 Noch gar nicht so lange her: Bei Renntagen im Jahr 1971 quollen die Tribünen von Zuschauern über.

Noch gar nicht so lange her: Bei Renntagen im Jahr 1971 quollen die Tribünen von Zuschauern über.

Foto: Stadtarchiv Neuss

Für Manfred Bodewig geht es nur noch darum, "eine Tradition würdevoll zu beerdigen". Wäre das nur die Meinung des FDP-Fraktionsvorsitzenden, könnte der Reit- und Rennverein (RRV) der nächsten Sitzung des Beteiligungsausschuss Anfang 2017 gelassen entgegensehen. Doch dem ist nicht so. Als am Mittwochabend in geheimer Sitzung das auf Verlangen der Politik vorgelegte schriftliche Konzept zur Fortsetzung des Galopprennsports analysiert war, stand für die meisten fest, was Arno Jansen (SPD)so in Worte fasst: "Ich sehe keine tragfähige Grundlage mehr, das Vertragsverhältnis fortzusetzen." Der letzte Renntag der Saison im März könnte der letzte am Ende von 141 Jahren Galopprennsport in Neuss sein.

Was der RRV als Konzept vorlegt, sei inakzeptabel, fasst Bürgermeister Reiner Breuer zusammen. Er vermisse jegliche Vision, jegliches Herzblut - und vor allem eine Zeile darüber, wie der Reit- und Rennverein aus Renntagen in Neuss wieder ein Event machen will und ein Ausflugsziel für Familien. Statt dessen konfrontierte der Verein die Stadt mit neuen Forderungen - und dem Wunsch nach einem Zehn-Jahres-Vertrag zu seinen Konditionen.

Aktuell gilt, dass der RRV eine jährliche Pacht in Höhe von 100.000 Euro zahlen muss. Geld fließt nicht, vielmehr arbeitet der Verein das sozusagen ab, in dem er die Grünpflege auf dem Areal übernimmt. Nur: Das tut er nicht. Aber weil es getan werden muss, entstehenden Neuss-Marketing als Vermieter der Anlage schon jetzt etwa 30.000 Euro Mehrkosten im Jahr. Das Verhältnis wird zudem belastet, weil der RRV den Übergang über die Sandbahn vertragswidrig nur selten verlegt, der Bürgerpark im Innern der Anlage also nicht erreichbar ist. Nebenkosten werden trotz Mahnung nicht gezahlt (die Außenstände liegen schon bei 15.000 Euro), Untermietverhältnisse nicht angezeigt, Trainingszeiten einfach überzogen.

Nun will der RRV, der an 20 Tagen im Jahr pferdesportliche Veranstaltungen durchführen darf, die Pacht auf 20.000 Euro senken. Die Stadt müsste die Grünpflege ausschreiben. Im Ergebnis rechnet Neuss Marketing mit einer finanziellen Verschlechterung von 140.000 Euro jährlich. Weitere Forderungen des RRV - Ausdehnung der Trainingszeiten am Vormittag, Übernahme der Außengastronomie an Renntagen, Investitionen der Stadt in Zaun oder Totalisator, Verschiebung der Meldefrist für Renntermine vom August in den November, Ablöse für Stallgebäude - würden weitere Probleme schaffen. Und Kosten.

Der RRV beharrt auf Veränderung des Vertrages mit Neuss Marketing, weil Landesmittel ausgefallen sind und an den Renntagen nach Angaben von RRV-Präsident Jan Vogel nur 2- bis 3000 Euro verdient werden. "Der Vertrag wurde unter ganz anderen Bedingungen geschlossen", sagt Vorstandsmitglied Friedhelm Thissen. Für ihn gilt in der Diskussion als Plus, dass der Galopp noch immer die Sportart ins Neuss ist, die den größten Publikumszuspruch erfährt. Und in der Turfszene hat die Neusser Anlage ihre Berechtigung - auch wenn die erste Garde der Pferde, Trainer und Jockeys dort nicht mehr zu sehen sei. Thissen. "Wir kümmern uns darum, dass Besitzer kleiner Rennställe im Winter etwas Geld verdienen."

Neuss Marketing hält in seiner Bewertung des RRV-Konzeptes dagegen nüchtern fest: Eine Beendigung des Rennbetriebes bedeute weniger Nutzungskonflikte als bisher, Flexibilität statt einer Bindung über weitere zehn Jahre, neue Entwicklungsmöglichkeiten und am Ende auch bestimmt eine höhere Pacht, als der Reit- und Rennverein noch zu zahlen bereit ist. Vorsichtig geschätzte 53.000 Euro stellt Jürgen Sturm, Geschäftsführer von Neuss Marketing, den vom RRV angebotenen 20.000 Euro gegenüber.

Bis zur nächsten Sitzung des Beteiligungsausschusses sollen sich die Fraktionen darüber klar werden, ob sie das "Ende mit Schrecken", wie Sturm das Ende des Vertragsverhältnisses mit dem RRV übersetzt, einer anderen Variante vorziehen. Eine Idee steht mit der Konzentration sportlicher Einrichtungen im Rennbahnareal schon im Raum. Für Bodewig ist der Fall klar: "Auf zu neuen Ufern."

(-nau)
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