Aktionstag gegen Wohnungsnot in Neuss Breuer sagt 525 neue Wohnungen zu

Das Aktionsbündnis „Wir wollen wohnen!“ fordert auf dem Markt größere Anstrengungen gegen die Wohnungsnot ein. Den Nachholbedarf dokumentiert eine aktuelle Studie zur Mietbelastung. Die ist in keiner Stadt höher als in Neuss.

 Eine Zeltstadt auf dem Markt und plakative Ortseingangsschilder drückten die Forderung und die Sorge des Aktionsbündnisses „Wir wollen wohnen!“ aus. Seiner Überzeugung nach fehlen in Neuss 8000 Wohnungen. Bürgermeister Reiner Breuer (6.v.r.) stellte sich der Diskussion auf dem Markt.

Eine Zeltstadt auf dem Markt und plakative Ortseingangsschilder drückten die Forderung und die Sorge des Aktionsbündnisses „Wir wollen wohnen!“ aus. Seiner Überzeugung nach fehlen in Neuss 8000 Wohnungen. Bürgermeister Reiner Breuer (6.v.r.) stellte sich der Diskussion auf dem Markt.

Foto: Andreas Woitschützke

In keiner bundesdeutschen Großstadt ist die Mietbelastung im Vergleich zum Einkommen größer als in Neuss. Das treibt die Menschen (noch) nicht in Massen auf die Straße, wie das Aktionsbündnis „Wir wollen wohnen!“ auf dem Markt feststellte, aber zunehmend in die Beratungsstellen der Sozialverbände. Weil das Geld nicht reicht, weil keine passende Wohnung zu finden ist oder weil Sanierungsvorhaben Einkommensschwache aus ihren vier Wänden verdrängen. Wohnungsnot, so formulierte es Hans-Jochem Witzke vom Mieterbund NRW, ist daher nicht nur ein wohnungspolitisches, sondern ein soziales Problem. Und das machte das Bündnis von Mieterbund, Gewerkschaften und Sozialverbänden am Dienstag öffentlich zum Thema.

Die Neusser Ratsfraktionen ignorierten den Aktionstag und den damit verbundenen „Kampf gegen den Mietwahnsinn“ weitgehend, Bürgermeister Reiner Breuer aber stellte sich der Diskussion. An ihn richtete das Aktionsbündnis einige Forderungen, die Witzke und Sigrid Wolf, Regional-Geschäftsführerin des DGB in Düsseldorf, formulierten: Mehr bezahlbarer Wohnraum, mehr Micro-Appartements oder Kleinstwohnungen für Auszubildende und Studenten, mehr Bauland, mehr von allem. Denn die Mieten, sagt Witzke, sind schon für Haushalte mit einem durchschnittlichen Familieneinkommen kaum zu bezahlen. „Wie will da jemand über die Runden kommen, der nur gesetzlichen Mindestlohn bekommt?“

Breuer gab zu: Neuss ist ein Hotspot, was Mietpreise angeht. Das dokumentiert auch eine aktuell Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der Miethaushalte in der Stadt 30 Prozent und mehr vom Monatsnetto für Wohnen aufwenden müssen. In keiner anderen untersuchten Stadt war der Anteil so groß. Das Ranking schmeckt Breuer natürlich nicht und die Datenbasis der Studie ließe vielleicht auch Raum für einen Widerspruch, doch die Kernbotschaft akzeptiert er uneingeschränkt: In Neuss fehlen Wohnungen. 8000, wenn man dem Aktionsbündnis glaubt.

Mindestens 525 neue und bezahlbare Wohnungen, so sagte Breuer zu, werden bis Ende 2020 fertig. Darüber hinaus werde derzeit einiges ausprobiert, um Bewegung in den Wohnungsmarkt zu bekommen: Der Bauverein testet eine Tauschbörse, damit sich Menschen im Alter (etwa nach dem Auszug der Kinder oder dem Verlust des Partners) kleiner setzen können. „Noch mit wenig Erfolg“, sagt Breuer. Im Hammfeld ist die Stadt dabei, leere Büroetagen in Wohnraum umzuwandeln. Und mit dem „Münsteraner Modell“ prüft sie gerade, Wohnbauland nur da zu entwickeln, wo sie Besitzer der Flächen ist. Und einen ausreichenden Vorrat für kommende Bauten will er mit dem Flächennutzungsplan schaffen, der auch deshalb 2020 beschlossen werden soll.

Ob das reicht? Franz-Beering Katthagen vom SKM, der mit dem Arbeitskreis „Wohnen und Soziales“ den Aktionstag begleitete, ist skeptisch. Sein Arbeitskreis sei 1987 als  „Arbeitskreis gegen Wohnungsnot“ gegründet worden. Dieser Titel wäre heute wieder der treffendere.

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