Neuss Ratsdebatten bald live im Internet

Neuss · Der Neusser Rat hat eine neue Sitzordnung und Audio-Streaming für Ratssitzungen beschlossen. Experten warnen vor zu hohen Erwartungen.

 Hausmeister Ernst Eggert muss zum zweiten Mal in diesem Jahr im Ratssaal Stühlerücken. Grund: CDU und Grüne wollen nebeneinander sitzen.

Hausmeister Ernst Eggert muss zum zweiten Mal in diesem Jahr im Ratssaal Stühlerücken. Grund: CDU und Grüne wollen nebeneinander sitzen.

Foto: woi

So kurios das klingt: Der Rat hat in geheimer Abstimmung für mehr Transparenz votiert. Dabei setzte eine Mehrheit mit 37 gegen 28 Stimmen den von der SPD gestellten Antrag durch, Ratssitzungen live im Internet zu übertragen. Während Michael Ziege (SPD) jubelnd von einem "entscheidenden Schritt zu einem transparenten Neuss" und dem Überwinden weiterer Barrieren spricht, warnen Experten vor allzu hoch gesteckten Erwartungen.

Der Rat hatte sich zuletzt gleich drei Mal mit Fragen rund um den Sitzungssaal und damit das politische Zentrum der Stadt zu beschäftigen. Zunächst wurden 100 000 Euro bewilligt, um die Sprechanlage gegen eine digitale auszutauschen, dann setzte die neue Ratsmehrheit eine neue Sitzordnung durch, damit die Koalitionäre CDU und Grüne nebeneinander sitzen können. Und zuletzt ging es um die Live-Übertragung des gesprochenen Wortes.

Weil die Themen den Politikern selbst so gewichtig schienen, wurden auch besondere Persönlichkeiten zitiert. "Hier sitzen wir, wir wollen nicht anders", formulierte zum Beispiel Arno Jansen zwar augenzwinkernd, aber immerhin in Anlehnung an Martin Luther, warum die SPD gegen ein erneutes Stühlerücken im Ratssaal ist. Doch das große Wort verfing nicht. Während die Grünen nun - nur nach Sitzordnung (?) - vor einem Rechtsruck Richtung CDU stehen, muss sich die SPD, mit der die Grünen die Plätze tauschen, einen Linksruck gefallen lassen. Roland Sperling (Die Linke) stimmte zwar mit der SPD ("Wenn die nicht neben mir sitzen will, will ich auch nicht neben der SPD sitzen."), erreichte aber nur, dass auf einen breiten Abstand zwischen beiden Fraktionen geachtet wird.

Breit war danach die Diskussion zur Live-Übertragung von Ratssitzungen. Eine Übertragung bewegter Bilder kam für die Ratsmehrheit nicht infrage. Die Übertragung von Standbildern, die alle drei Sekunden aktualisiert werden, schien ihr unsinnig. So wird es nur eine Wort-Übertragung, ein Audio-Streaming, geben, das allerdings unterbrochen werden muss, wenn der Redner nicht online zu hören sein will.

In der Millionenstadt Köln hat die Live-Übertragung - in Wort und Bild! - von Ratssitzungen schon Tradition. Doch das Nutzungsverhalten blieb hinter den Erwartungen zurück. Im Oktober, so berichtet Inge Schürmann von der Kölner Stadtverwaltung, wurden 154 Aufrufe registriert, doch die Nutzer klinkten sich schon nach durchschnittlich 2:50 Minuten aus. "Lächerlich", sagt Schürmann, "da kann man keine Diskussion verfolgen." Bei der ersten Online-Sitzung waren 2000 Zugriffe gezählt worden, danach brachen die Werte ein. Und auch der Kunstgriff, die Rechner der städtischen Mitarbeiter für diese Übertragung frei zu schalten, rettete die Statistik nicht. Die Hälfte der Zugriffe erfolge heute aus dem Ratssaal selbst - zur Kontrolle, sagt Schürmann und erklärt so die kurze Verweildauer. Einen Effekt aber hatte der Rat im Netz: "Die Schaufensterreden haben zugenommen."

(NGZ)
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