Neuss Politik stellt sich hinter Whitesell-Belegschaft

Neuss · Die Mitarbeiter der Neusser Schraubenfabrik sind krisenerprobt, doch nie stand es um ihr Werk so schlecht. Deshalb demonstrierten sie.

 In einem Protestzug zogen Mitarbeiter der Firma Whitesell und aus anderen neusser Betrieben vom Hauptbahnhof zur Kundgebung auf dem Markt.

In einem Protestzug zogen Mitarbeiter der Firma Whitesell und aus anderen neusser Betrieben vom Hauptbahnhof zur Kundgebung auf dem Markt.

Foto: L. Berns

Seit sich der letzte Angehörige der Gründerfamilien aus dem Werk zurückgezogen hat, wurde die Schraubenfabrik "Bauer und Schaurte" von Hand zu Hand weitergegeben. Doch kein Investor, der danach das Werk übernahm, hat das Traditionsunternehmen nach Überzeugung von Gewerkschaft, Arbeitnehmerschaft und Politik näher an den wirtschaftlichen Zusammenbruch gebracht, als der amerikanische Konzern Whitesell, der zum 1. Januar mit den Werken der Gruppe Ruia Global Fasteners auch das Neusser Werk übernahm. Arbeitsplatzabbau wenn nicht gar die drohende Schließung vor Augen, gingen Gewerkschaften und Arbeitnehmer am Samstag im Kampf um die letzten 300 Jobs auf die Straße. "Herr Whitesell, geben Sie das Unternehmen frei", formulierte IG-Metall-Geschäftsführer Heiko Reese auf dem Markt unter Applaus die Kernforderung. "Und lassen Sie uns unsere Arbeit machen."

Es war eine wütende, eine verzweifelte aber auch eine machtvolle Demonstration, die in einer Kundgebung mit über 300 Teilnehmern vor dem Zeughaus endete. Machtvoll, weil sich nicht nur die Belegschaften von Industrieunternehmen wie Alunorf - "Wir kämpfen mit euch gemeinsam" - oder Schmolz & Bickenbach - "Ein Anruf und wir sind da" - mit der Belegschaft solidarisierten, sondern weil auch fast alle Ratsfraktionen wie ein Mann hinter dem Werk und seiner Belegschaft stehen. Der SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Thiel kündigte gar an, das Thema beim Landeswirtschaftsminister anzubringen: "Wir helfen euch, dass Ihr diesen Arbeitgeber wieder loswerdet."

Schon die Übernahmeverhandlungen mit der Firma Whitesell, die das Neusser Werk aus seinem zweiten Insolvenzverfahren heraus übernahm, waren überaus problematisch. Denn der Interessent aus den USA, der über die Ruia-Werke in Deutschland Fuß fassen wollte und den die IG Metall nicht zuletzt wegen dieser Perspektive für eine gute Lösung gehalten hatte, wollte erst keinem Tarifvertrag zustimmen, sondern verlangte immer neue Zugeständnisse. Aber diesen Wechsel löste er nicht ein, wie Karlheinz Salzburg als Betriebsratsvorsitzender erklärte: Verschiebung der Tariferhöhung, Einschnitte beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die Bereitschaft, wöchentlich vier Stunden umsonst zu arbeiten - all das hätte die Belegschaft zugesagt. "Aber das Unternehmen nutzt das Angebot und das Geld nicht. Bis heute liegt kein Investitionsplan vor", sagte Salzburg.

Dieses Verhalten und die Tatsache, dass Whitesell bei Kunden wie VW oder Ford über Lieferstopps höhere Preise und neue Zahlungsmodalitäten durchsetzen wollte, lässt für Gewerkschaft und Mitarbeiter nur einen Schluss zu: "Das ist nur ein kurzfristiges Schielen auf maximalen Gewinn." Und das ohne Erfolg, denn einige Großkunden hätten Whitesell den Rücken gekehrt.

Von Unternehmensseite sprach niemand auf dem Markt, dafür aber Bürgermeister Herbert Napp: "Whitesell kann nicht damit rechnen, die Firma zu schließen und abzureißen und mit dem Grundstück Geld zu verdienen. Für einen solchen Spekulationsgewinn steht die Stadt nicht zur Verfügung."

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort