Gelände in Neuss Denkmalschutz für die alten Pierburg-Hallen?

Neuss · Der Sohn des Architekten, der Anfang der 1960er Jahre das Pierburg-Werk baute, macht sich für den Erhalt der letzten Halle stark.

 Auf dem Pierburg-Gelände tut sich was. Das Hotel (l.) ist fast fertig und wurde gerade verkauft, die Reste Das Schicksal der Sheddach-Halle und des benachbarten Bürogebäudes (M.) ist offen. Die Stadt will sie erhalten.

Auf dem Pierburg-Gelände tut sich was. Das Hotel (l.) ist fast fertig und wurde gerade verkauft, die Reste Das Schicksal der Sheddach-Halle und des benachbarten Bürogebäudes (M.) ist offen. Die Stadt will sie erhalten.

Foto: Christoph Kleinau

Drei Wochen vor der Eröffnung des fünfgeschossigen Hotels auf dem Gelände der ehemaligen Pierburg-Fabrik hat der Düsseldorfer Projektentwickler Bema ein erstes Mal Kasse gemacht. Wie schon bei Bauantragstellung vor zwei Jahren angekündigt, wurde der erste Hochbau auf dem über fünfeinhalb Hektar großen Quartiersgelände mit Fertigstellung an einen nicht näher bezeichneten Kreis von Privatinvestoren verkauft – mitsamt dem Pachtvertrag, den die französische Kette „B & B-Hotels“ mit einer Laufzeit von 20 Jahren geschlossen hat.

Während damit die Entwicklung auf 1634 Quadratmeter Grund und Boden abgeschlossen ist, kommt Bema auf den verbleibenden 53.946 Quadratmetern nur mühsam voran. Dabei verhärtet sich vor allem der Widerstand gegen die Absicht des Investors, die verbliebene Sheddach-Halle abzureißen. Der Architekt Dietmar Spiegel, dessen Vater Hans Anfang der 1960er Jahre die Pierburg-Fabrik entworfen und gebaut hatte, kämpft für den Erhalt der Konstruktion. Gegenüber der Stadt hat er im Namen seines 1987 verstorbenen Vaters und als dessen Erbe Urheberrechte „an der gesamten architektonischen Gestaltung der Pierburg KG“ angemeldet. Weil er darauf keine Reaktion aus dem Rathaus erhielt, geht er nun einen Schritt weiter. Die Anlage, die er für denkmalwert hält, soll auch Denkmalschutz erhalten.

Die Möglichkeit, aus dem Denkmalwert ein Argument gegen die Abriss-Pläne des Investors schmieden zu können, hat die Stadt offensichtlich ihrerseits gewittert. Ende September 2018, also ein halbes Jahr nachdem der Abrissantrag des Investors geblockt und eine – nach wie vor gültige – Veränderungssperre verhängt worden war, bat sie das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland um eine denkmalfachliche Beurteilung. Rasmus Radach, der daraufhin die Hallenreste inspizierte, antwortete mit Datum 11. Oktober. „In diesem Zustand“, so fasst er seine Expertise zusammen, „ist es nicht mehr möglich, den Denkmalwert festzustellen.“ Das Rheinische Amt für Denkmalschutz war schlicht zu spät eingeschaltet worden. Das sei „unwahrscheinlich schade“, sagt Radach, der nach Abbruch der meisten Fabrikanlagen keinen „Werkkontext“ mehr erkennen konnte. „Wir stellen keinen Antrag auf Denkmalschutz“, sagt Radach deutlich. Aber die Stadt könne hoheitlich handeln und eine Unterschutzstellung vornehmen. Dazu will sie Dietmar Spiegel, der als „Urheber“ kein eigenes Antragsrecht besitzt, nun anhalten. „Denn eigentlich wollen wir dasselbe“, sagt er. „Die Hallen erhalten.“

Der Teilerhalt der Sheddach-Halle 3/4 ist Bestandteil eines städtebaulichen Entwurfs, der die Basis für das noch laufende und von der Politik begleitete Bebauungsplan-Verfahren bildet. Die Hallen wurden entkernt und entrümpelt, die Bodenplatte entfernt. Das kostete nicht nur bereits mehr Geld, als die Bema in den Erhalt zu investieren bereit war, sondern förderte nach Angaben des Unternehmens weitere Schwachstellen wie Rostschäden an den Stahlträgern zutage.

„Korrosionsschäden findet ein Investor immer, wenn er etwas loswerden will“, sagt Dietmar Spiegel unbeeindruckt. Er erkennt in dem Vorgehen der Bema eine Architektensicht, die er überholt nennt: „Platt machen, aufräumen neu bauen.“ Dabei würden sich gerade aus Situationen wie mit dieser einmaligen Hallenkonstruktion interessante Möglichkeiten ergeben, sagt er.

 Fast fertig und gerade verkauft: Das „B & B Hotel“ auf der Pierburgbrache.

Fast fertig und gerade verkauft: Das „B & B Hotel“ auf der Pierburgbrache.

Foto: Christoph Kleinau
 Markant, aber noch kein Denkmal: Die Dachkonstruktion der Halle.

Markant, aber noch kein Denkmal: Die Dachkonstruktion der Halle.

Foto: Christoph Kleinau
 Auf das Fabrikgebäude mit der markanten Sheddach-Konstruktion war Professor Hans Spiegel so stolz, dass er das Motiv 1962 in seine Weihnachtsgrußkarte aufnahm.

Auf das Fabrikgebäude mit der markanten Sheddach-Konstruktion war Professor Hans Spiegel so stolz, dass er das Motiv 1962 in seine Weihnachtsgrußkarte aufnahm.

Foto: Hans Spiegel

Gegen Denkmalschutz könnte der Investor nur vorbringen, dass die Hallen nicht wirtschaftlich erhalten werden können. Diesen Nachweis werde die Bema nicht führen können, sagt Spiegel, „denn wir beweisen ihr das Gegenteil.“ Das Konzept dazu hat der 79-Jährige, der noch immer sein kleines Unternehmen „Experimentelle Wohnbauforschung“ führt und viele Holzbauten realisiert, schon im Kopf: Eine Kita, für die die Bema die Halle abreißen will, würde er zur Not selbst unter dem Sheddach in Holzbauweise errichten. Auf die gewölbten und nach Süden ausgerichteten Hallen käme eine Photovoltaik-Anlage, und das Regenwasser von der Dachhaut würde er sammeln, zum Beispiel für einen Gartenbaubetrieb in dem Hallenkomplex. Finanzierung: „Die Bema kann uns ja die Abbruchkosten ersetzen. Die sind doch sicher schon eingeplant“, sagt Spiegel.

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