Neuss Pflegekräfte dringend gesucht

Neuss · Die ambulanten Dienste könnten expandieren, die Nachfrage nach ihren Leistungen ist hoch. Doch es fehlt an Fachkräften. Die Dienste fürchten gar, dass diese Lücke wächst und auch Neuss vor einem Pflegenotstand steht.

 Wenn Not am Mann – oder der Frau ist – muss Pflegedienstleiterin Anita Diehl (links) auch schon mal selbst einspringen und die Touren abfahren, wie hier bei der Medikamentengabe bei der 97-Jährigen Hanna Marth.

Wenn Not am Mann – oder der Frau ist – muss Pflegedienstleiterin Anita Diehl (links) auch schon mal selbst einspringen und die Touren abfahren, wie hier bei der Medikamentengabe bei der 97-Jährigen Hanna Marth.

Die Stellenanzeige hätte sich Anita Diehl sparen können. Rücklauf: "Null. Nicht eine Bewerbung", sagt die Pflegedienstleiterin der ambulanten Dienste der Diakonie. Dann griff sie zum Hörer und telefonierte acht, neun – Diehl hörte auf zu zählen – Zeitarbeitsfirmen ab. Ohne Erfolg. Nirgends suchte eine examinierte Pflegekraft einen Job. "Uns fehlen so schon zwei Fachkräfte, und die Chance zu expandieren, haben wir so erst recht nicht", sagt Diehl. So gerade wurde das Personal für den neuen ambulanten Dienst Grüber-Haus (Start 1. November) gewonnen. Diel arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Pflege arbeitet und neben den zwölf Fachkräften immer wieder selbst Touren übernimmt, wenn jemand ausfällt. Und das, obwohl sie die Leitung des Dienstes managen muss. Die Überstundenkonten der Mitarbeiter sind ohnehin längst nicht mehr ausgeglichen.

Die Nachfrage nach Hilfe im eigenen Heim steigt stark, denn in die stationäre Pflege, raus aus dem eigenen Umfeld, gehen viele nur, wenn es gar nicht mehr anders geht. Jede Woche bekommt Diehl bis zu 20 Anfragen: Sie versucht zu schieben und die Touren so abzustimmen, dass noch möglichst viele Patienten aufgenommen werden können. Doch viele muss sie abweisen. Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) – das selbe Bild: Mal kommen fünf Anfragen rein, mal 20 pro Monat. Aufnehmen kann der Dienst die wenigsten. "Manchmal sind wir die ersten, die angefragt werden und verweisen an andere Dienste", sagt DRK-Geschäftsführer Michael Bollen. "Oft sind wir aber auch letzte Anlaufstelle." Und müssen trotzdem oft ablehnen. "Die Situation wird sich noch zuspitzen", sagt Diehl. Konkurrenz um Patienten gibt es bei der ambulanten Pflege längst nicht mehr.

Um Fachkräfte schon. Doch die sind – da sind sich die Neusser ambulanten Dienste einig – unterbezahlt. Eine examinierte Pflegekraft verdient maximal zwischen 2200 und 2600 Euro brutto im Monat – bei Wochenend- und Notdiensten, Schicht- und einer körperlich sowie sozial und fachlich fordernden Arbeit. "Wir suchen gut ausgebildete, engagierte, fachlich fähige Menschen mit hoher Sozialkompetenz. Bei diesen Voraussetzungen konkurrieren wir mit anderen Branchen, die ähnlich hoch qualifiziertes Personal brauchen, aber nicht die Nachteile bei den Arbeitszeiten haben und besser bezahlen", sagt Sebastian Froese, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes Ambulante Dienste (bad).

Bei der stationären Pflege ist der Mangel auch spürbar, aber weil Dienste leichter umgeschichtet oder aufgeteilt werden können, noch nicht so massiv wie in der ambulanten Pflege. Die einzige Lösung, die die Dienste selbst sehen, ist die Ausbildung, um gutes Personal zu halten. Aber Bollen wünscht sich mehr: "Auch für den Rhein-Kreis müssten wir Träger uns zusammentun und eine Imagekampagne starten", sagt Bollen. Damit die Wertschätzung für den Beruf endlich steige.

(NGZ/ac)
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