Neus Perfekte Klangspiele

Neus · Neuss In experimentelle Gefilde begab sich die Kirchenmusikwoche unter dem verharmlosenden Titel "Romantik modern I" in der Christuskirche. Gleich zwei Uraufführungen standen auf dem Programm.

Neuss In experimentelle Gefilde begab sich die Kirchenmusikwoche unter dem verharmlosenden Titel "Romantik modern I" in der Christuskirche. Gleich zwei Uraufführungen standen auf dem Programm.

Das Publikumsinteresse für die soeben fertiggestellte Musik hielt sich allerdings in sehr engen Grenzen. Bereits 1987 hat Günter Berger "Sequenzen unabweisbaren Befundes aus visionär vorhergesagtem und akutem Anlass" konzipiert und im vergangenen Jahr für Sopran, Sprecher, Trompete, Horn und Orgel aktualisiert. Diese Neufassung kam jetzt zur Uraufführung.

Mit Texten aus der biblischen Offenbarung, aus Psalmen und eigenen Ergänzungen zeichnet er pure Endzeitstimmung, die Vernichtung der Menschheit hat längst begonnen. Dabei sind die von Dan Hieronimus vorgetragenen Texte und die von Anna-Elisabet Muro (Sopran) gesungenen Texte aus der Offenbarung von beklemmender Aktualität, Günter Berger fügt dann noch "Tschernobyl, Seveso und Guantanamo" hinzu.

Die Musik kreist akkordisch und figurativ immer wieder um die gregorianische Sequenz "Dies irae, dies illa" aus dem Requiem in rhythmischen Veränderungen. Gleißende Flächen baut die Orgel auf, scheut auch nicht vor Cluster zurück, ist schon mal Schlagwerk, melodische Strukturen werden vor allem in Horn und Trompete erkennbar. Das Horn zitiert gar aus Bruckners 9. Sinfonie.

Kompliment an die Ausführenden dieser komplizierten und harten Musik: Michael Voigt (Orgel), Angela Fiege (Trompete) und Ana Carolina Dulcé-Ramirez (Horn) leisteten perfekte Klangspiele, auch zur Zufriedenheit des anwesenden Komponisten.

Bedeutend milder wirkte die zweite Uraufführung. Der Düsseldorfer Komponist Jürg Baur, der in seinen Werken häufig Themen alter Meister modernisiert, nahm ein ungemein sanftes Intermezzo von Johannes Brahms zur Anregung für eine Fantasie über den Psalm "Der Herr ist mein Hirte".

In den klaren lyrischen Sopran von Anna Elisabet Muro intoniert das Horn Brahms, in die faszinierende Synthese wird, wiederum im Horn, der Luther-Choral "Verleih uns Frieden gnädiglich" eingebettet, eine originelle Passacaglia schließ das Werk ab. Nirgendwo dodekaphonische Klangflächen, die in früheren Werken Baurs vorherrschten, auch ein "Fabula rasa" auf der Vorlage eines heiteren "Fantasiestückes" von Robert Schumann geht geradezu konservativ mit den vertonbaren Buchstaben des Namens "Schumann" um. Ergänzt wurde das Programm mit einer vital gespielten, fast tänzerischen "Elegie" von Jirí Laburda.

(NGZ)
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