Neuss Paulus-Oratorium: Großartige Chorszenen

Neuss · Endlich mal wieder ein großartiges Konzerterlebnis in der Neusser Christuskirche! Die Neusser Kirchenmusikwochen haben es möglich gemacht. Auch der gute Zuhörerzuspruch ließ Bedeutendes erwarten. "Paulus", das gleichrangig neben Bachs und Händels großen Chorwerken zu würdigende Oratorium von Felix Mendelssohn-Bartholdy, wurde von der Kantorei der Christuskirche unter der jungen engagierten Leiterin Katharina Grulke zum fesselnden Erlebnis.

Felix Mendelssohn-Bartholdy, der die Uraufführung 1836 in Düsseldorf selbst leitete, hatte wenige Jahre zuvor die bis heute andauernde Bach-Renaissance initiiert, und im "Paulus" auch stilistisch untermauert. Der Choral "Wachet auf, ruft uns die Stimme" wird in der Ouvertüre zu mächtiger Klangfülle gesteigert — das ist der Grundgedanke des Oratoriums: Die Erkenntnis und Wandlung vom "Saulus" zum "Paulus".

Der erste Teil beginnt mit der Steinigung des Stephanus, die dramatischen Höhepunkte haben Mendelssohn besonders inspiriert. Am wirkungsvollsten ließ sich davon wiederum der junge Tenor Wolfgang Klose animieren. Seine lyrische, exzellente "Evangelisten"-Stimme ließ die Zuhörer erzittern. Überirdisch beseelt hingegen die Tenorcavatine "Sei getreu bis in den Tod" zu zart-reinem Solovioloncello. Mit profundem Material ausgestattet, aber in der Interpretation eher farblos, sang der "Paulus"-Bass Richard Logiewa. Mendelssohn behandelt die Frauenstimmen fast en passant. Der wunderbare Solosopran Barbara Dünne darf pfleglich rezitieren, gelegentlich in einem "Arioso" glänzen. Die herrliche Sopranarie "Jerusalem, du tötest die Propheten!" sang in Neuss der Mezzosopran Claudia Nüsse, weil als "Alt" noch weniger beschäftigt. Die wahrhaft klassische Größe fehlte ihr dabei.

Grandios war aber die Leistung der Kantorei der Christuskirche, die vor allem im strahlenden Sopran deutlich aufgerüstet hat. Ein wunderbarer vierstimmiger Frauenchor artikuliert den "Herrn". Aber auch die beiden Männerstimmen mit je zehn Sängern waren bestens präsent bei den zum Teil achtstimmigen Doppelfugen, dem wilden Steinigungschor oder den lyrischen Betrachtungen. Prunkvoll der Lobpreis Gottes im Finale. Diese großartigen Chorszenen beeinträchtigte Katharina Grulke, umsichtig und überlegen leitend, mit gleichmäßig (zu) langsamen Chorälen. Einmal mehr präsentierte sich in Neuss mit selbstsicherer Noblesse und aufmerksamer Spielkultur das Orchester "Düsseldorfer Altstadtherbst".

(NGZ)
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