Arno Jansen Parteien wirken ernüchternd auf junge Menschen

Neuss · Der SPD-Fraktionschef sprach auf dem Blauen NGZ-Sofa über Politikprozesse, Flüchtlinge und Salafisten.

 Arno Jansen sprach mit Ludger Batzen auf dem Blauen NGZ-Sofa.

Arno Jansen sprach mit Ludger Batzen auf dem Blauen NGZ-Sofa.

Foto: WOI

Auf der Zielgeraden zu den Sommerferien hatte sich NGZ-Redaktionsleiter Ludger Baten den Vorsitzenden der SPD-Ratsfraktion, Arno Jansen, aufs Blaue NGZ-Sofa eingeladen. In dem 41-jährigen Juristen aus Weckhoven hatte er nicht nur einen eloquenten und unterhaltsamen Gesprächspartner, der vielfach Lacher und Zwischenapplaus erntete, sondern auch einen Politiker, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hielt - ganz gleich, ob zum "politischen Gegner", zur Salafistenszene oder zum Flüchtlingszustrom, zur Stadtentwicklung oder zum Bürgermeister-Kandidaten Reiner Breuer.

Herr Jansen, in dieser Woche wurde ein Salafist aus Mönchengladbach an der Ausreise in die Türkei gehindert. In Weckhoven, wo Sie wohnen, gab es vor einiger Zeit Aufregung um einen mutmaßlichen Salafisten-Treff in einem islamischen Kulturverein. Wie haben Sie diese Zeit als Bürger empfunden?

JANSEN Das war ein großes Thema: Es handelte sich um einen Ableger des Kalifatenstaates, der sich in Räumen eines privaten Vermieters traf und Leute wie den Hass-Rapper Deso Dogg einlud. Entsprechend groß war die Nervosität in der Bevölkerung. Aber in Weckhoven pflegen wir ein gutes gemeinschaftliches Miteinander. Die Stadtteilkonferenz holte sich Unterstützung vom Verfassungsschutz. Und eine Bürgerversammlung zeigte, dass das Thema ernstgenommen wurde.

Sie sind vor 41 Jahren in Düsseldorf geboren, aber ein "Weckhovener Jung". Wie charakterisieren Sie den Stadtteil, der ja nicht nur ein gutes Image hat?

JANSEN Weckhoven hat deutlich mehr schöne Seiten. Der Stadtteil ist umzingelt von Grün - also nicht politisch gemeint, sondern tatsächlich Pflanzen. Er ist ein junger Stadtteil mit einer aktiven Bürgergesellschaft. Ich lebe gern dort. Und an der Hülchrather Straße entsteht ein tolles neues Wohngebiet des Bauvereins.

1991 sind Sie als 17-Jähriger in die SPD eingetreten. Warum haben die Parteien heute solche Schwierigkeiten, junge Mitglieder zu finden?

JANSEN Das liegt auch daran, dass bei den Parteien vieles durchritualisiert ist, was ernüchternd auf junge Menschen wirkt. Moderne Kommunikationsformen sind dort noch nicht zur Gänze angekommen. Vielleicht wird politische Mitarbeit künftig mehr themenbezogen und kurzfristig erfolgen. Wie weit eine Partei offen und attraktiv für junge Leute ist, hat viel mit den Akteuren vor Ort zu tun.

Haben Sie den Fraktionsvorsitz nach der Wahl von Reiner Breuer in den Landtag auf sich zukommen sehen?

JANSEN Ab einem gewissen Zeitpunkt habe ich es schon geahnt. Für mich ist der Vorsitz der SPD-Ratsfraktion jedenfalls das zweitschönste Ehrenamt, das man in Neuss bekommen kann.

Es existiert eine deutliche Mehrheit jenseits der CDU, die Sie aber nicht zusammenkriegt haben...

JANSEN Es wäre schön, wenn die Parteien aus ihrer verblockten Haltung - hier Koalition, dort Opposition - herauskommen und bei den Themen zusammenarbeiten könnten. Das würde Kommunalpolitik interessanter machen. Vielleicht haben wir nach der Bürgermeister-Wahl im September eine Chance auf themenorientierte Mehrheiten, wie es sie in anderen Städten - etwa in Kaarst oder Dormagen - gibt.

Schwarz-Grün regiert seit einem Jahr mit knapper Mehrheit, die bei Abstimmungen aber deutlicher ausfällt. Funktioniert da nicht eigentlich schon das, was Sie sich wünschen?

JANSEN In der Kommunalpolitik werden die meisten Themen recht einvernehmlich gelöst. Aber es gibt auch starke Unterschiede, beispielsweise beim Thema Wohnraum. Hier hat die Koalition nicht wirklich eine verbindliche Sozialwohnungsquote beschlossen, wie auch von der SPD gefordert, sondern lediglich eine vage Absichtserklärung abgegeben.

Zur Stadtentwicklung: Wie gefällt Ihnen das Möbelhaus Höffner?

JANSEN Die Stadteingangssituation wäre schöner vorstellbar. Das Erste, was man von der Südbrücke kommend sieht, ist ein 45-Meter-Pilon. Hier hat ein Kaufinteressent viel Geld geboten und den Zuschlag für das Grundstück erhalten. Das ist aber keine Stadtentwicklung.

Thema Flüchtlinge: Der Flüchtlingsstrom ist ungebrochen. Macht Ihnen das Angst?

JANSEN Nein, da kommen Menschen, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden und Hilfe brauchen. In Neuss rechnen wir pro Monat mit 60 Flüchtlingen, die adäquat untergebracht werden müssen. Das muss eine Kommune bewältigen. Wenn die nötige Transparenz und Ehrlichkeit gewährleistet ist, akzeptiert die Bevölkerung das auch.

In Ihren Augen ist Reiner Breuer der beste Bürgermeister-Kandidat. Warum?

JANSEN Ihn prägt eine große Offenheit. Er vertritt seine Meinung, glaubt aber nicht, "die Weisheit mit Löffeln gefressen" zu haben. Reiner Breuer kann Politikprozesse gestalten, bei denen es am Ende ein Ergebnis gibt, aber keine Verlierer.

Vervollständigen Sie bitte diesen Satz: Den Gedanken, einmal auf den Neusser Königsvogel anzulegen, ...

JANSEN ... habe ich mit meiner Frau bereits andiskutiert, aber wir sind noch nicht am Ende der Diskussion angekommen.

SUSANNE NIEMÖHLMANN FASSTE DAS GESPRÄCH ZWISCHEN LUDGER BATEN UND ARNO JANSEN ZUSAMMEN.

(NGZ)
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