Oscarverleihung: "40 Räder westwärts" - ein Blockbuster aus Neuss

Ein Blockbuster aus Neuss Neusser Verkehrsversuch für mehrere Oscars gut - hier die Nominierten

Neuss · Am Wochenende werden in Hollywood die Oscars verliehen. Stoff für einen Blockbuster böte aktuell auch der Verkehrsversuch. Würde er verfilmt, wäre er sicher für mehrere Oscars gut. Und das wären die Nominierten in wichtigen Kategorien.

26.03.2022 , 04:50 Uhr

Neuss: Fotostrecke der Kandidaten für einen Oscar im Verkehrsversuch — Die Kandidaten für einen Oscar im Verkehrsversuch Neuss

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Foto: dpa/TANNEN MAURY

Den Metro-Goldwyn-Hölters-Studios (MGH) wurde ein Drehbuch angeboten, das Planungsboss Christoph Hölters um jeden Preis haben wollte: Das Remake des Westernklassikers „40 Wagen westwärts“ in einer zeitgemäßen Großstadt-Adaption. Ein Film, der Genre-Grenzen sprengt, Politthriller und Road-Movie ist, aber auch etwas von einer Komödie hat. Verortet wird der Plot, der deutliche Parallelen zur modernen Legende einer Mobilitätswende aufweist, auf einer Fahrradachse, die zwar nicht durch Indianerland führt, dafür aber durch die Sebastianusstraße – ein Ort wie geschaffen für Überfälle von der Seite. Anklänge an das Original werden unverkennbar, wenn am Anfang das Projekt unglücklicherweise den Weg in die Tagespresse findet. Oder am Ende, wenn sich alle nach langem Ringen ernüchtert zeigen.

Beste Regie MGH hat schon oft mit Regisseur Reiner Breuer gearbeitet. Das bewährt sich bei diesem Projekt, bei dem Breuer Massenszenen nicht wie in den Sandalenfilmen inszeniert, sondern neue, focussierende Formen findet: die Bürgerinfo und die Umfrage. „Stilbildend“, urteilt die Jury. Breuer selbst stößt bei der Arbeit mit den Darstellern an Grenzen. „Ich hätte auch alles anordnen können“, seufzt er oft. Sein nächstes Projekt, eine Doku über rot-grüne Streifenhörnchen, soll daher weniger aufreibend werden.
Beste Nebenrolle Seine besondere Klasse zeigt Jürgen Steinmetz oft dann, wenn der Stoff der Handlung sperrig scheint. Zuletzt brillierte er in der MGH-Verfilmung des Zukunftsromans „Clockwork Pierburg“, den er aus seiner klaren Weltanschauung heraus interpretiert. Auch in „40 Räder westwärts“ gibt er den knallharten Wirtschafts-Lobbyisten überzeugend eindimensional. Die Jury: „Eine zeitgemäße Übersetzung der Schurkenfigur.“
Bester Schauspieler Erst spät rutscht Michael Ritters auf die Besetzungsliste von „40 Räder westwärts“. Für ihn mehr als ein Genrewechsel, ist er doch bislang eher durch Arbeiten hinter der Kamera in Streifen wie „Kappeszug vom Winde verweht“ oder „Novesia: Schicksalsjahre einer Prinzessin“ in Erscheinung getreten. Doch persönliche Betroffenheit macht ihn zur Bestbesetzung für die – zunächst nur als Nebenrolle angelegte – Figur des gequälten Einzelhändlers. Unnachahmlich sein Jammern über Kundenparkplätze und ein verkorkstes Weihnachtsgeschäft. „Erinnert gekonnt an griechische Tragödien“, urteilt die Jury. Ritters hofft, dass „40 Räder westwärts“ nicht sein letzter Film bleibt – und er diesen Versuch „überlebt“.
Beste Schauspielerin Die Stunde von Natalie Goldkamp schlägt, als die Handlung zum Verkehrsversuch nach dramaturgischen Brüchen verlangt. Dafür ist das Nachwuchstalent, zuletzt in „Spielplatzhölle Hamtorwall“ zu sehen, Topbesetzung. Sie tritt in immer neuen Rollen auf, changiert zwischen voller Unterstützung und grundsätzlicher Skepsis und droht – nach einem Powow mit Eingeborenen im „Bürgergespräch“– sich zu früh festzulegen. Doch an der Seite ihres kongenialen Partners (dargestellt von Pedalritter Axel Stucke) kann sie nicht nur vermeintliche Widersprüche elegant überspielen, sondern Details wie die schicksalhafte Rolle der Ladesäule bis zum Schluss offenhalten.. „Kapriziös und divenhaft“, urteilt die Jury.
Bester Ton Dialoge bilden das tragende Gerüst dieses Films. Als die Positionen fast geklärt scheinen, meldet sich überraschend auch City-Manager Thomas Werz zu Wort. Er zeigt in kurzen Pressestatements die Kluft zwischen Stadt und Handelsverband auf, bis er zum Schweigen gebracht wird – nicht wie im Western mit Pfeil oder Kugel, sondern durch Dienstanweisung. Die Jury: „Die Stille danach ist mit Händen zu greifen.“
Best Special Effects Mit 60 Jahren steht Roland Sperling nach Ansicht seiner linken Fans im Zenit seines Schaffens. Er selbst allerdings wartet nach wie vor auf den großen Durchbruch. Nachdem es zuletzt auch mit seiner Verpflichtung für eine Hauptrolle in einem Rathaus-Mehrteiler, einer Adaption von „House of Lords“, nichts wurde, setzt er in „40 Räder westwärts“ konsequent auf das Stilmittel Maximalforderung. Die Jury urteilt: „Das Publikum erwartet fast einen erlösenden Knall.“
Bestes Drehbuch Radfahrer sollen sicher durch die Innenstadt gebracht werden. Das Grundthema der Romanvorlage zu „40 Räder westwärts“ wäre schnell erzählt. Doch dann wird Sascha Karbowiak für die dramatische Überarbeitung gewonnen. Der Autor von Drehbuchvorlagen wie „Vier Fäuste für bezahlbaren Wohnraum“ oder „Am Mobilitätspunkt ist die Hölle los“ – fasziniert, wieder einen Stoff nach einer wahren Begebenheit bearbeiten zu können – setzt dieses Mal auf ein „Work in Progress“: Klagende Einzelhändler, protestierende Taxifahrer oder irrlichternde Autofahrer auf der Suche nach der Kaufhof-Garage werden in die schon laufenden Dreharbeiten eingearbeitet. Zur Herausforderung wird die Arbeit des Autors durch immer neue Ideen einiger Hauptdarsteller, die – als Antrag formuliert – im Storyboard unterzubringen sind und für immer neue Wendungen sorgen. Eine Schlusssequenz im Ratssaal ist zwar von Anfang an als Showdown geplant, als die Szene aber im Kasten ist, ist sie ganz anders als in der Einstiegsszene zum Film zu erwarten gewesen wäre. „Spannend bis zum Schluss“, urteilt die Jury.

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