Neuss Ohne Schmerzen geht's nicht

Neuss · "Gelocht und scharf gestochen" heißt das Studio von Martin Kraus, in dem es Piercings und Tätowierungen gibt, Implantate oder "Cuttings". Wer zu Kraus kommt, muss wissen, worauf er sich einlässt – und dass Zucken schlecht ist.

 Martin Kraus pierct eine Kundin – er selbst hat unter anderem eine gespaltene Zunge.

Martin Kraus pierct eine Kundin – er selbst hat unter anderem eine gespaltene Zunge.

Foto: woi

"Gelocht und scharf gestochen" heißt das Studio von Martin Kraus, in dem es Piercings und Tätowierungen gibt, Implantate oder "Cuttings". Wer zu Kraus kommt, muss wissen, worauf er sich einlässt — und dass Zucken schlecht ist.

Früher war Herbert der Mann des Herzens. Es war so sehr Herbert, dass die Frau sich seinen Namen in Schnörkelschrift in die Taille tätowieren ließ. Irgendwann aber war Herbert weg — und das Tattoo da. Im Studio von Martin Kraus wurde aus Herbert eine Blumenranke. "20 Prozent aller Kunden, die wegen eines Tattoos zu uns kommen, wollen etwas überstochen haben", sagt Kraus. Eine alte Liebe, eine Geschmacklosigkeit, eine Jugendsünde.

Deshalb ist eine seiner Regeln: keine Namenstattoos, keine Paar-Tätowierungen. Eine weitere: Wer unter 18 ist, wird bei "Gelocht und scharf gestochen" nicht tätowiert. Auch nicht, wenn die Eltern ihre Zustimmung gegeben haben. Junge Leute wissen oft noch gar nicht, wo es hingeht mit ihnen im Leben und ob ein Riesenbild auf dem Hals dann vielleicht stört.

Martin Kraus führt das Studio gemeinsam mit seiner Freundin Anika Brandenburg. Sie tätowiert, er macht Cuttings, bei denen Narben in die Haut geritzt werden, oder implantiert auch Magnete in die Finger. Angefangen hat Kraus vor rund sechs, Brandenburg vor zwei Jahren. Sie hat damals an Bananen geübt: "Da zieht man die Schale ab und sieht so, ob man zu tief gestochen hat", sagt Anika Brandenburg. Ihr erstes echtes Tattoo hat sie dann ihrem Freund gestochen. "Das war eine Ehre", sagt sie.

Sich laufend weiterzubilden, ist für Brandenburg und Kraus normal. Die Körperkünstler treffen sich auf Conventions und Netzwerk-Treffen mit ihren Kollegen, lernen voneinander. Erst kürzlich waren sie beim "Tattoo Day" im niederrheinischen Isselburg, präsentierten dort eine motorbetriebene Tätowier-Maschine, machten Werbung für sich und die Branche.

50 bis 100 Kunden kommen täglich in das Ladenlokal, das im Erdgeschoss aussieht wie eine ordentliche Arztpraxis: Kacheln an den Wänden, Sterilisationsbehälter, abgepackte Kanülen. Jetzt gerade bekommt eine Kundin ein weiteres Piercing unter der Lippe: Das auf der linken Seite hat sie schon, das auf der rechten kommt hinzu. Dass sie unbedingt stillhalten muss, weiß diese Kundin — anders als die, die sich kürzlich von einer Mitarbeiterin des Studios tätowieren ließ.

Sie zuckte — und das Bild war verwackelt, ohne dass die Tätowiererin irgendwas hätte tun können. "Wer hierhin kommt, muss wissen, worauf er sich einlässt und dass das auch wehtut", sagt Martin Kraus. Jeder Kunde wird daher ganz genau aufgeklärt, bevor es losgeht. Was auch nicht geht: sich an einem Tag tätowieren oder piercen zu lassen, an dem der Kreislauf runter ist, man nichts gegessen hat oder schlecht zurecht ist.

Das Risiko, dass die Herbert-Blumenranke nicht so perfekt ist, wie sie sein könnte, ist zu hoch.

(NGZ/rl)
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