Neuss Norbert Scheuer porträtiert Vögel und Menschen

Neuss · Der Schriftsteller präsentiert seinen Roman "Die Sprache der Vögel" beim Literarischen Sommer in der Bibliothek.

 Norbert Scheuer lebt in der Eifel, war 2011 schon mal in Neuss.

Norbert Scheuer lebt in der Eifel, war 2011 schon mal in Neuss.

Foto: Woi

Als Norbert Scheuer das letzte Mal beim Literarischen Sommer zu Gast war, drehte sich alles ums Wasser. 2011 war das und "Überm Rauschen" der Roman, den Scheuer damals präsentierte. Er spielt in dem kleinen Eifeldorf Kall - sozusagen vor der Haustür des Autors, denn er lebt dort - und erzählte wunderbar lakonisch und poetisch zugleich die Geschichte des jungen Leo Arimond, der sich beim Angeln an seinen Vater und seinen Bruder Hermann erinnert.

In der Natur ist der 62-jährige Autor auch in seinem Roman "Die Sprache der Vögel", den er am Mittwoch in der Stadtbibliothek beim Literarischen Sommer vorstellt, geblieben. Denn es geht um Blauracken und Wanderfalken, um Bienenfresser und Wiedehopfe, um Kolkraben und Wüstenfalken, die die Hauptfigur des Romans faszinieren. Auch diese trägt den Nachnamen Arimond, kommt aus Kall, heißt mit Vornamen allerdings Paul.

Während Leo in "Überm Rauschen" an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt, zieht Paul in dem neuen Roman von dannen. An einen Ort und in ein Land, das kaum weiter weg von dem Eifeldorf sein könnte: in ein Bundeswehr-Camp in Afghanistan. Paul Arimond ist Sanitäter, ein 24-jähriger Bundeswehrsoldat, der sich freiwillig gemeldet hat. Seine Beweggründe sind weniger humanitärer als vielmehr sehr persönlicher Natur: Er hat einen Unfall verursacht, bei dem sein bester Freund schwer verletzt wurde und irreparable Schäden im Kopf erlitten hat. Pauls freiwilliger Einsatz in Afghanistan hat was von Flucht, was er allerdings mitnimmt ist seine Begeisterung für Vogelkunde, die ihm der Vater mitgegeben hat. Jedem gefederten Tier scheint er mehr Aufmerksamkeit zu widmen als den Toten, Verletzten und anderen Soldaten, die mit ihm heiße Sommer, eiskalte Winter, Anschläge und Einsätze überstehen müssen.

Dass Scheuers Roman, der mit wunderbar filigranen "Kaffeeaquarelle" der von Paul gesichteten Vögel angereichert ist (Scheuers Sohn Erasmus hat sie gemacht), auf der Nominierungsliste für den Leipziger Buchpreis stand, ist nachvollziehbar. Denn erneut zeigt er ein außerordentliches Sprachgespür für die Dinge zwischen den Zeilen.

Die Grausamkeit des Krieges, die latente Angst vor Anschlägen sind immer da, ohne zu beherrschen. Seine feinen Beschreibungen der Vogelwelt kontrastieren mit denen des Lebens der von Paul in seiner Heimat zurückgelassenen Menschen. Dass die Flucht in die Vogelwelt, der See in der Nähe des Camp als Sehnsuchtsort nicht reparieren können, was sich im Innern des jungen Mannes abspielt, macht Scheuer auf eher subtile und daher sehr nachdrückliche Weise deutlich. Das Buch klagt die Verheerungen des Krieges an, ohne dass es man es so recht merkt. Erst wenn die 230 Seiten ausgelassen sind, sickert wirklich ins eigene Bewusstsein, was Paul so vergeblich versucht: "Ich will nicht verrückt werden. Es tröstet mich, die Vögel zu beobachten, ihnen beim Fliegen zuzusehen."

"Ich erfinde relativ wenig", hat Scheuer zu seinem Buch "Überm Rauschen" gesagt, "sondern bringe meine Wahrnehmungen nur neu in Verbindung." Das ist auch bei "Die Sprache der Vögel" nicht anders. Zu der Geschichte hat er sich von den Erzählungen eines Veteranen inspirieren lassen. In einem kleinen Café hat er den Mann getroffen. Wohl auch der Anlass, Pauls Mutter in einem solchen arbeiten zu lassen.

Info Neumarkt 10, Mittwoch, 22. Juli, 19.30 Uhr, acht Euro

(NGZ)
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