Willibert Pauels - "ne Bergische Jung" "Nie wieder auf die große Karnevalsbühne"

Neuss · 17 Jahre lang war Willibert Pauels, der "bergische Jung", eine Größe im Karneval, dann wurde er krank. Geholfen wurde ihm in Neuss. Dafür will er Danke sagen, wenn ihm am Dienstag im Zeughaus der "Närrische Maulkorb" verliehen wird.

 Als "ne bergische Jung" machte Diakon Willibert Pauels im Karneval Karriere. Für diese Lebensleistung erhält er am Dienstag den "Närrischen Maulkorb".

Als "ne bergische Jung" machte Diakon Willibert Pauels im Karneval Karriere. Für diese Lebensleistung erhält er am Dienstag den "Närrischen Maulkorb".

Foto: NN

Herr Pauels, der Neusser Karnevalsausschuss hat Sie vorgeschlagen, und die Karnevalskomitees von Düsseldorf und Mönchengladbach haben zugestimmt: "Ne bergische Jung", wie Sie sich in der Bütt nennen, wird mit dem närrischen Maulkorb geehrt. Das heißt, Sie sind mal wieder zu Besuch in Neuss.

Willibert Pauels Ist das nicht schön? Ich freu mich. Neuss, dieser alten rheinischen Stadt, gehört ein Teil meines Herzens.

Den Begriff Maulkorb kennt man ja eigentlich aus den Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz ...

Pauels (lacht) ...oder, als gebildeter Mensch, als Titel einer köstlichen Satire auf den preußischen Untertanengeist. Alexander Spoerl, der Autor der Feuerzangenbowle, hat sie geschrieben. Diese leichte Komödie ist eine der lustigsten Schwänke, die ich kenne. Bei Maulkorb denke ich eher daran, denn, wissen Sie: Ich bin kein rebellischer Geist, der gegen die Maulkörbe dieser Welt aufsteht.

Ich habe gedacht, Ihre Ehrung könnte auch ein Trick sein: Der "bergische Jung", der sich aus dem Karneval abgemeldet hat, bekommt eine Auszeichnung — und wir ihn so wieder in die Bütt.

Pauels Dass dies ein Trick sein könnte, das habe ich so gar nicht auf dem Schirm. Ich werde ja auch gar keine Büttenrede halten! Ich werde mich an das Rezept halten, mit dem ich auch meine Kabarettprogramme gestalte: Eine Mischung aus Büttenrede, Andacht, Nachdenklichkeit — und Dankbarkeit. Gerade in Neuss, wo mir so geholfen wurde, als ich an der Seele krank wurde, werde ich das sagen und meine Depression ganz offen ansprechen. Denn dieses Thema ist noch immer mit einem Mehltau des Tabus bedeckt. Das finde ich verheerend, denn Depression ist zunächst einmal eine Krankheit wie andere auch. Das müssen die Menschen wissen.

Damit helfen Sie auch Dr. Martin Köhne, dem Chefarzt des St.-Josef-/St.-Alexius-Krankenhauses. Der tut ja viel, um psychische Krankheiten zu entstigmatisieren.

Pauels Und das ist mein Mosaiksteinchen, das ich dazu tue. Ein neues Bild bauen, das ist meine Aufgabe. Das tue ich mit innerer Freude. Denn, so paradox das klingen mag, ich bin dankbar, dass ich im "Jütchen", wie die Neusser sagen, gelandet bin. Das war eine der wichtigsten Stationen meines Lebens. Denn erst da wurde endlich angegangen, was mich seit der Kindheit begleitet.

Warum waren Sie dort?

Pauels Es gibt die Depression, die durch traumatische Erlebnisse ausgelöst wird, und die endogene Depression, für die manche Menschen eine Veranlagung haben. Diese ist einfach da wie die Veranlagung zur Diabetes. Diese Veranlagung findet man interessanterweise besonders oft bei Bühnenmenschen — und auch bei mir. Dr. Köhne, dieser fantastische Chefarzt, hat — ich drück das jetzt mal flapsig aus — gesagt: "Man sagt immer, Bühne macht krank." Es ist komplett umgekehrt: Kranke machen Bühne.

Tolles Kompliment.

Pauels Was er meint, ist: Sehr sensible Menschen sind gut auf der Bühne, weil sie sich reinfühlen können in die Schwingungen, die Gefühle anderer. Weil sie Empathie besitzen. Nachteil ist aber: Viele dieser empathischen, dieser sensiblen Bühnenmenschen habe keinen Filter. Sie können auf der Bühne ganz authentisch sein, aber auch die Angstgedanken gehen bei ihnen ungefiltert ein. Damit umzugehen, das muss, aber das kann man auch lernen. In Neuss habe ich das gelernt. Und diese Behandlung hat mir bis in die Seele hinein gut getan.

Was haben Sie nach der Behandlung geändert?

Pauels Dr. Köhne hat gesagt: "Pauels, wenn Sie nicht total verschuldet sind, dann lassen Sie das mit dem Karneval. Genießen Sie die Zeit, die Sie hatten." Und genauso haben wir es gemacht. Schließlich habe ich ja als Diakon auch einen Beruf, den ich von Herzen liebe.

Und werden geehrt!

Pauels Herrlich. Und ich stehe nicht unter Druck, kann das einfach genießen. Ich treffe alte Kollegen und kann Karnevalsluft schnuppern, die ich ja so liebe. 17 Jahre lang war diese, man kann fast sagen, vergiftet durch den Druck, den ich permanent gespürt habe. In der Session und danach. Denn man hat sich ja sofort gefragt: Was machst du nächstes Jahr? Von diesem Stress bin ich befreit, regelrecht erlöst.

Auf Ihrer Internetseite glimmt noch der Hoffnungsfunke, dass Sie auf die Bühne zurückkehren.

Pauels In den großen Karneval nicht mehr. Was ich mache, sind Vorträge, Kabarett — damit bin ich auch beim Katholikentag eingeladen — und das Weihnachtsprogramm "Kölsche Chressdäch". Weihnachten ist für viele ein Schock, aber eigentlich hat Weihnachten ja was mit Religion zu tun.

Überhaupt kein Karneval mehr?

Pauels Wer weiß, in zehn Jahren vielleicht. Wissen Sie: 17 Jahre habe ich diesen Stress ausgehalten, dann bin ich im "Alex" gelandet. Im Collegium Marianum haben wir darüber früher immer gelästert: "Wenn du so weiter machst, landest du im ,Alex'."

Waren die Jahre am Marianum an der Preußenstraße eine ähnlich gute Erfahrung wie ihre Zeit im "Alex"?

Pauels Das waren mehr als zehn gute Jahre, ja.

Was haben Sie dort gemacht?

Pauels Ich war die rechte Hand des Direktors an diesem vorpriesterlichen Seminar des Erzbistums. Vizedirektor, könnte man etwas hochtrabend sagen. Ich war jetzt mal wieder da und habe gesehen, dass aus dem altehrwürdigen Gebäude eine exquisite Wohnanlage geworden ist.

Hat Sie das befremdet?

Pauels Ein wenig schon. Immerhin ist die Mack-Kapelle ist erhalten geblieben. Und die Kirche sollte immer das Herz von solchen Häusern sein. Insofern: Das Herz ist gesund.

CHRISTOPH KLEINAU FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(NGZ)
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