Neuss Nichtraucherschutz sorgt für Frust vor den Kneipen

Neuss · Seit 23 Tagen müssen Raucher vor den Kneipen stehen. Das erhitzt auch weiterhin die Gemüter.

 Können wegen des Nichtraucherschutzgesetzes nur noch vor der Kneipe rauchen: Andreas Kreuter und Axel Heinz vor der "Flotten Theke".

Können wegen des Nichtraucherschutzgesetzes nur noch vor der Kneipe rauchen: Andreas Kreuter und Axel Heinz vor der "Flotten Theke".

Foto: Woitschützke

Leonidas Laskaridis steht auf dem Bürgersteig und raucht. Der 57-Jährige blickt besorgt durch ein Fenster. Es ist das Fenster des Café Hellas, seiner Kneipe. Sie ist leer. Denn alle sechs Gäste stehen neben ihm auf der Straße. Alle haben eine Zigarette in der Hand oder im Mund. Seit dem 1. Mai dürfen sie in der Kneipe nicht mehr rauchen.

"Das ist hart aber wir werden uns wohl daran gewöhnen müssen", sagt Laskaridis. Hans-Jürgen Bovenschen (61) sieht das anders: "Daran werde ich mich niemals gewöhnen. Die Landesregierung behandelt uns wie kleine Kinder." Am meisten ärgere er sich über Bürgermeister Napp. Er selbst müsse vor die Tür, während der Bürgermeister weiter in seinem Büro rauche, schimpft Bovenschen. Er würde gerne etwas tun gegen das Rauchverbot.

Michael Bott, Inhaber des Marienbildchens, ruft seine Gäste mit einem eingeschweißten Brief zum Protest auf: Sie sollen ihrem Ärger gegenüber der Politik Luft machen, schreibt Bott. In der Diskussion kommt die Sprache auf ein Formular der Stadt Köln, mit dem Bürger Verstöße gegen das Rauchverbot melden sollen. "Denunziation" nennt Bott das. Der Ton unter den Rauchern wird härter.

Ruhiger geht es im Hinterhof des Büttger 9 zu. Jürgen Thoma (51) hat dort gerade auf einem bequemen Holzstuhl Platz genommen und sich eine Zigarette angezündet. Ruhig ist er aber nur, weil die Nachbarn sich sonst über den Lärm beschweren. Innerlich brodelt er: "Das ist eine Bevormundung, die die Kneipenkultur kaputt macht." Thoma ist selbst Gastronom. Er arbeitet als Koch im Deutschen Haus in Kaarst. Dort gab es in den vergangenen Jahren extra einen Nichtraucherraum. "Der wurde überhaupt nicht angenommen. Wenn überhaupt haben da Leute drei Stunden lang an einem Tee genippt", sagt der 51-Jährige. "Das Geld, das Gastronomen in Nichtraucherräume investiert haben, geht jetzt in blauem Rauch auf." Auch im Büttger 9 spürt man den Frust über das Rauchverbot.

Die Diskussion ist emotional geworden, der Tonfall gegenüber Befürwortern des Rauchverbots wird härter. Monika Stolp (42) geht deshalb an einen anderen Tisch, wenn sie darüber spricht. "Ich finde das Rauchverbot super", sagt sie. Früher hätten Klamotten und Haare immer gestunken. Obwohl sie vor 14 Jahren noch selbst geraucht hat, hätten ihr schon damals gelegentlich die Augen getränt. Stolps Freund, der selber Raucher ist, ärgert sich über die Meinung seiner Freundin und möchte jetzt nichts mehr zu dem Thema sagen. Er ist sauer.

Zurück im Café Hellas überlegt Leonidas Laskaridis, in die Zukunft probeweise eine geschlossene Gesellschaft anzumelden. Dann könne er zwar niemanden spontan reinlassen, dafür wäre Rauchen für angemeldete Gäste erlaubt. Irgendetwas müsse er sich gegen den Umsatzeinbruch seit dem 1. Mai einfallen lassen. Vor einer Woche wurde der Zigarettenautomat im Café Hellas neu befüllt. "Der Umsatz ist um 30 Prozent eingebrochen", erzählt Laskaridis.

Auch in anderen Kneipen werden Ideen ausprobiert. Der Hammtorkrug bietet einen überdachten Nebenraum vor dem Eingang. In einer anderen Kneipe schließt der Wirt gegen Abend einfach ab, lässt nur noch Raucher rein und erlaubt das Rauchen. Natürlich wird das aus Furcht vor Bußgeldern dementiert, auch wenn es mittlerweile viele wissen. Für Laskaridis ist das jedenfalls keine Option. Er hofft noch auf eine Lockerung des Rauchverbots und darauf, dass seine Kneipe bis dahin überlebt. Erst mal geht er aber mit seinen Gästen wieder hinein und bringt ihnen neue Getränke. Bald werden sie wieder draußen stehen und rauchen. Vor der leeren Kneipe.

(NGZ/rl/top/url)
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