Parteiaustritt nach mehr als 40 Jahren Kreistagsabgeordneter Harald Holler verlässt die SPD Neuss

Neuss · Die nächste Eskalationsstufe im Neusser Genossenstreit ist erreicht: Kreistagsabgeordneter Harald Holler (71) aus Grimlingahusen hat mit sofortiger Wirkung sein Parteibuch zurück gegeben. Mehr als 40 Jahre gehörte er der SPD an. Jetzt will er bis zum Ende der Wahlperiode als parteiloser Abgeordneter im Kreistag mitarbeiten.

 Ein Foto aus harmonischen Tagen: Harald Holler (l.), der jetzt die SPD verlassen hat, und der Vize-Landrat Horst Fischer (SPD).

Ein Foto aus harmonischen Tagen: Harald Holler (l.), der jetzt die SPD verlassen hat, und der Vize-Landrat Horst Fischer (SPD).

Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Ein Generationswechsel geht selten geräuschlos über die Bühne. Warum sollte es der SPD besser gelingen als anderen Parteien? Jetzt ist die nächste Eskalationsstufe im Streit der Neusser Genossen erreicht: Harald Holler (71), Kreistagsabgeordneter aus Grimlinghausen, hat nach mehr als 40 Jahren die SPD verlassen. Ein Schritt, der ihn schmerzt: „Ich bin durch und durch Sozialdemokrat.“ Am späten Montagabend machte er öffentlich, dass er seinen Parteiaustritt schriftlich gegenüber dem Bundesvorstand im Berliner Willy-Brandt-Haus erklärt habe. Er begründete seinen Schritt mit „fortlaufender und andauernder Respektlosigkeit“, die er neben weiteren Mitgliedern des Ortsvereins (OV) Neuss-Süd erfahren habe – „autorisiert“ durch den SPD-Kreisvorstand. Er werde sein Kreistagsmandat künftig als parteiloser Abgeordneter bis zum Ende der Wahlperiode wahrnehmen.

Der jetzt von Holler vollzogene Schritt hatte sich bereits in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Der erfahrene Kommunalpolitiker, der mehr als 25 Jahre im Kreistag sitzt, strebt eine erneute Kandidatur bei den Wahlen im Herbst 2020 an. Er wurde auch von seinem Ortsverein Neuss-Süd für den Wahlkreis vor Ort vorgeschlagen, aber der Neusser SPD-Stadtverband setzte sich über das Basisvotum hinweg, nominierte stattdessen den früheren stellvertretenden Neusser SPD-Chef Joachim Wolff. Daraufhin hatten Holler und der ehemalige Vorsitzende des Ortsvereins Neuss-Süd, Peter Ott, gemeinsam mit einigen Mitstreitern eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Ortsvereins beantragt.

Die Aussprache sollte am 11. Juli erfolgen, ein Termin, der vom neuen OV-Vorstand bereits als Mitgliederversammlung ausgewählt worden war. Holler, Ott & Co. drängten im Antrag darauf, dass dargelegt werde, „wie die Kandidatenauswahl für den Kreistag für unsere vorgesehenen Kandidaten Harald Holler und Joachim Wolff tatsächlich abgelaufen ist“ und „warum unserem Ortsverein für die Neusser Liste nur Platz 9 zugewiesen wurde“. Diese Formulierung schließt unüberhörbare Kritik an der neuen OV-Doppelspitze ein. Der unausgesprochene Vorwurf: Edona Tahiri und Karlheinz Kullick hätten sich nicht ausreichend für die Personalvorschläge aus Neuss-Süd eingesetzt.

Zur Aussprache mit Harald Holler wird es jetzt nicht mehr kommen. Er zog für sich persönliche Konsequenzen und gab sein sozialdemokratisches Parteibuch zurück. Wie schon zuvor der Neusser SPD-Chef Sascha Karbowiak, so weist auch Arno Jansen die von Holler erhobenen Vorwürfe scharf zurück. Jansen, in Personalunion Fraktionschef in Neuss und Partei-Vize im Rhein-Kreis, betont, er habe bis zuletzt versucht, „trotz seiner Manöver gegen mich, eine Brücke zu bauen“. Wenn sich Holler jedem Gespräch verschließe, „an dem ich teilnehme (was ich sehr bedauere!), nehme ich das so hin.“

Der Neusser SPD-Chef Sascha Karbowiak sieht in Hollers Parteiaustritt eine „persönliche Entscheidung“, die es zu respektieren gelte. Er hätte sich aber gewünscht, das ein so erfahrener Sozialdemokrat wie Holler auch eine „basisdemokratische Nominierung“ akzeptiere, wenn er es nicht aufs Personaltableau geschafft habe. Bei Arno Jansen klingt das so: „Die Partei ist voll von Menschen, die schon mal eine Kandidatur verloren haben.“

Derweil lässt Harald Holler offen, ob er sich mit Blick auf die kommende Wahl 2020 einer anderen Partei oder politischen Gruppierung anschließen wird. Sein Satz in einer Mail vom Montag, „Mal sehen, wer im nächsten Kreistag sitzt“, befeuert jedoch die Spekulationen gewaltig. Beobachter schließen einen Wechsel des eingefleischten Sozialdemokraten zur CDU oder zur FDP aus; ein Anschluss an die UWG erscheint ihnen eher möglich.

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