Neuss Neusser schlichtet Streit am Gartenzaun

Neuss · Seit sieben Jahren ist Andreas Schubert Schiedsperson in Neuss. Dabei hat der Ehrenamtler schon so einiges erlebt. Heckenhöhe, Schattenwurf und Grillgerüche sind häufige Streitgründe. In 50 Prozent der Fälle kann er schlichten.

 Streit am Gartenzaun ist der häufigste Einsatzgrund für die Neusser Schiedspersonen. Ihr Auftrag ist es, zu schlichten.

Streit am Gartenzaun ist der häufigste Einsatzgrund für die Neusser Schiedspersonen. Ihr Auftrag ist es, zu schlichten.

Foto: dpa, woi

Wenn der Buchsbaum die Form eines nackten Hinterns hat, der in Richtung von Nachbars Garten zeigt, oder die drei Meter hohe Stahlskulptur im Garten einen Schatten auf die Terrasse der Nachbarin wirft, dann ist es schnell um die Harmonie am Gartenzaun geschehen. Klar, solch kuriose Fälle sind eher die Ausnahme, doch Andreas Schubert weiß, dass auch alltägliche Ärgernisse wie herüberziehende Grillgerüche für Streitereien sorgen. Seit sieben Jahren ist der 51-jährige Gnadentaler ehrenamtliche Schiedsperson. Seine Erfahrung: Wer bereit ist, Kompromisse einzugehen, tut nicht nur seinem Gegenüber Gutes, sondern auch sich selbst.

Im vergangenen Jahr haben die Schiedsleute der Stadt Neuss 42 Schlichtungsverhandlungen und weitere 31 "Tür- und Angelfälle" behandelt. Weitere zwölf Schlichtungsverfahren wickelten sie in Strafsachen ab. "Überwuchs, Überfall von Obst und Blättern, Schattenwurf, Gerüche bis hin zu negativen ästhetischen Emissionen — es gibt viele Gründe, die für Ärger am Gartenzaun sorgen können", sagt Schubert. Negative ästhetische Emissionen? "Ja, das ist ein toller Begriff, ein Exot unter den Streitgründen. Etwa der Buchsbaum, der wie ein Nackter zurechtgestutzt ist und den Nachbarn daher stört", erklärt der Gnadentaler. Zu ihm kommen Streitende, wenn sie nicht mehr weiter wissen, oder wenn sie ein Gerichtsverfahren anstreben und vorher versuchen müssen, sich außergerichtlich zu einigen.

Streit macht krank. Das beobachtet Schubert häufig: "Ich habe Menschen bei mir sitzen, die weinen oder anfangen zu zittern, weil sie die Situation so fertig macht." Dabei er ist er nicht derjenige, der einer der beiden Parteien Recht gibt. "Das ist nicht meine Aufgabe. Ich suche den Kompromiss. Beim Thema Heckenhöhe ist das dann zum Beispiel wie auf dem Basar." Nachbar A möchte eine ein Meter hohe Hecke, Nachbar B besteht auf 1,50 Meter. Oder bei lärmenden Kindern. Der eine wünscht drei Stunden Mittagsruhe, der andere pocht auf zweien. "Wenn ich die Parteien davon überzeugen kann, sich in der Mitte zu treffen, dann gibt es zwei Gewinner." Wichtig sei, dass nicht nur einer nachgibt. Das sei nicht Sinn der Sache. "Das Problem muss gemeinsam gelöst werden, dann kann man den Streit beilegen und sich vielleicht mal zusammen ein Bier gönnen." So begegne man sich auf Augenhöhe und könne sein Gesicht wahren.

Doch nicht immer funktioniert das. Schuberts Erfolgsquote liegt nach eigener Aussage bei gut 50 Prozent. "Es gab schon Fälle, bei denen sich die beiden Parteien einig waren und das auch unterschrieben haben, und auf dem Weg nach Hause — sie gingen in die gleiche Richtung — fingen sie schon wieder an zu streiten", erinnert sich Schubert. Dabei sollte das höhere Ziel nie sein, Recht zu bekommen, sondern in Frieden nebeneinander zu leben. "Das kann in friedlicher Co-Existenz sein, bei der sich beide einfach ignorieren", sagt Schubert, der für die Bezirke Gnadental, Augustinusviertel, Hafen, Hammfeld und Rheincenter verantwortlich ist. Welche Schiedsperson zuständig ist, richtet sich immer nach dem Wohnort des Antragsgegners. Dem stellt Schubert die Ladung zum Schieds-Termin gern persönlich zu: "Sonst sind die natürlich direkt sauer, wenn sie ein offizielles Schreiben bekommen und geladen werden. So bin ich zur Stelle, kann mit ihnen reden und schon von da an beschwichtigen."

(NGZ)
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