Neuss Neusser Bürger erinnern vor dem Rathaus an die Opfer des Holocaust

Neuss · Lautes Bimmeln gefolgt von metallischem Rattern. Die Rheinbahn in der Innenstadt wird beim Einkaufsbummel oft als störend empfunden. Gestern, während der Begehung des jüdischen Holocaust-Gedenktages "Jom haScho'a" vor dem Eingang des Rathauses, war sie gewünscht. Als Untermalung des Orts des Grauens, als diabolisches Symbolbild, wie in den 1940er Jahren in der NS-Diktatur an selber Stelle hunderte jüdische Mitbürger mit Sonderstraßenbahnen über Düsseldorf-Derendorf ins KZ deportiert wurden.

 Bert Römgens, Vertreter der jüdischen Gemeinde, las vor dem Neusser Rathaus die Namen der Holocaust-Opfer vor.

Bert Römgens, Vertreter der jüdischen Gemeinde, las vor dem Neusser Rathaus die Namen der Holocaust-Opfer vor.

Foto: L. Berns

Sie kamen nach Lodz, nach Riga, nach Theresienstadt. Oder einfach: in den sicheren Tod. 204 Menschen, die aufgrund einer perfiden Ideologie ihr Leben lassen mussten. "Hier im Neusser Rathaus mussten diese Menschen unterschreiben, dass sie ihr Vermögen an das Deutsche Reich abtreten", betonte Bürgermeister Reiner Breuer in seiner Rede. "Neusser Bürger, die danach gedemütigt, verschleppt und schließlich kaltblütig ermordet wurden", fuhr er fort.

Gestern war Zeit, dieser Menschen zu gedenken. Frei nach dem Satz aus dem Talmud: "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist" verlasen Bert Römgens und weitere Vertreter der jüdischen Gemeinde Düsseldorf sowie der Gesellschaft der Christlich-Jüdischen Zusammenarbeit die Namen aller 204 getöteten Menschen aus Neuss. Von A wie Alice Aron bis Z wie Anna Zehn. Zehn Minuten lang traten nacheinander die Redner ans Pult, um an das persönliche Schicksal jedes einzelnen zu erinnern und ihnen ein Gesicht zu geben. "Das ist heute unsere Aufgabe. Denn nur wer sich erinnert, kann seine Zukunft in Verantwortung vor dieser gestalten", sagte Breuer.

Die Fehler der Vergangenheit sind nicht mehr zu reparieren. "Deshalb müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass es heute unsere Bürgerpflicht ist, wachsam zu sein", sagt Breuer. Wachsam, wenn Menschen ausgegrenzt oder diffamiert werden, wegen eines anderen Glaubens und einer anderen Nationalität. "Wir sind heute mehr gefordert, uns für eine weltoffene Stadtgesellschaft einzusetzen."

Ins Publikum mischten sich immer wieder interessierte Passanten, blieben stehen, verharrten, schlossen die Augen. Auch die Schüler dreier Neusser Schulen mischten sich darunter. Der Holocaust-Gedenktag "Jom haScho'a" wurde das zweite Mal in Neuss begangen. "Wir freuen uns, dass sich noch mehr Leute als im vergangenen Jahr für den Gedenktag interessiert haben und vorbei kamen", sagt Reiner Breuer.

(NGZ)
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