Kunst und Yoga in Neus verbunden Auf ein „Ommmm“ ins Museum

Neuss · Ob am Strand, auf einer Wiese oder im Studio: Yoga wird an verschiedenen Orten praktiziert. Dass es auch im Museum funktioniert und der Weg von der Kunst zu den Körperübungen gar nicht so weit ist, zeigt das Clemens-Sels-Museum.

 Erst gibt es bei einer kurzen Museumsführung etwas für den Geist, dann wird die Sportmatte ausgerollt. Yoga und Kunst stehen in einer besonderen Beziehung.

Erst gibt es bei einer kurzen Museumsführung etwas für den Geist, dann wird die Sportmatte ausgerollt. Yoga und Kunst stehen in einer besonderen Beziehung.

Foto: Andreas Woitschützke

Die Sonne strahlt durch die bodentiefe Fensterfront und gibt den Blick auf den Stadtgarten frei: Auf der Wiese watschelt ein Graugänse-Paar, eine Kaninchen-Familie erfreut sich am Klee, die Bäume und Blumen blühen. Der große Raum im Erdgeschoss des Clemens-Sels-Museums Neuss wird normalerweise für Vorträge oder Events genutzt. An jenem Tag treffen sich hier sieben Yoginis um mit Esther Ortz, Inhaberin des Yogastudios Yogato in der Neusser Innenstadt, Yoga im Museum zu praktizieren. „Die Idee für dieses besondere Angebot kam meiner Kollegin Romina Friedemann während des Lockdowns, um den Menschen auch in dieser Zeit ein wenig Kunst und Kultur bieten zu können“, erzählt Anita Hachmann, stellvertretende Museumsdirektorin, und erinnert sich an die ersten Veranstaltungen per Livestream.

Doch bevor die Teilnehmer ihre Matte ausrollen, kommen sie in den Genuss einer kurzen Kunstführung durch Melanie Seidler, freie Mitarbeiterin des Museums. Sie begleitet die Gruppe zu einem Bild aus der Sammlung, das im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Finde deinen Zugang! Digital zum Original“ gezeigt wird, und spielt zunächst das Klangbild zum Werk ab. Dieses haben Schüler zweier Neusser Grundschule geschaffen – man hört Möwengeschrei, Glockengeläut und Hilferufe. Denn: Das Werk „Schiffbruch vor felsiger Küste“, das Adam Willaerts zugeschrieben wird, zeigt zwei Schiffe in Seenot. „Wer genau hinschaut kann den christlichen Kontext in den Kreuzen entdecken, die auf dem Felsen und in der Hand eines Seemanns zu finden sind“, so die Kunsthistorikerin und verweist auf eine weitere Bedeutungsebene: Die Metapher der „Navigatio Vitae“ als das Schiff des Lebens deutet auf die Unruhen und Kämpfe hin, die jeder Mensch „durchschiffen“ muss.

Jacqueline Tai aus Düsseldorf kam mit einer Freundin, die das Angebot im Rahmen der Art-Card entdeckt hatte, nach Neuss und ist begeistert: „Ich freue mich, über diese Idee des Museums und dass ich endlich wieder etwas Kulturelles unternehmen kann.“ Für einen langen Museumsbesuch fehle ihr oft die Zeit, diese Kombination aus Yoga und Kunst mit der Mini-Führung, eröffne ihr aber neue Perspektiven.

Körper und Geist gehören im Yoga zusammen, durch den Atem und die Konzentration werden die Effekte der Asanas (Körperstellung) intensiviert. Auch die Kunst verbinde diesen Dualismus der Darstellung von innen und außen, erläutert Seidler am „Stillleben mit venezianischem Weinpokal“, ein Werk aus dem Umkreis von Georg Flegel um 1630. Die Konzentration auf einen Aspekt des Gemäldes führe dazu, dass man Alltägliches vergessen und sich fast meditativ in der Betrachtung des Bildes verlieren könne.

„Erst etwas für den Geist, nun etwas für den Körper“, leitet die Yogalehrerin sodann zum praktischen Teil über. Bereits zum zweiten Mal kann das „Yoga im Museum“ in Präsenz stattfinden und Laura und Martina Estrich aus Dormagen waren beide Male dabei. „Das ist eine tolle Kombination: Der kurze Einblick in die Kunst und dann die Yoga-Einheit in diesem tollen Raum mit der besonderen Aussicht“, so die 61-Jährige und ihre Tochter Laura ergänzt: „Bei der Führung ging es erst mit dem etwas aufregenderem Bild des Schiffbruchs los und dann wurde es mit dem Stillleben ganz ruhig. Genauso ist es beim Yoga: Auf die Bewegung folgt Entspannung.“

„Yoga ist unkompliziert“, erklärt sich Esther Ortz den Hype, Yoga an den ungewöhnlichsten Orten stattfinden zu lassen. „Matte ausrollen und schon kann es losgehen“, das geht für sie auch gut an einem See oder auf einem Stand-Up-Paddle.

Ein letzter Sonnengruß bevor sich die Teilnehmer ins Savasana, die Endentspannung, begeben – Stille im Raum, Stille in der Seele. Nach anderthalb Stunden (Führung plus Yoga) beendet Esther Ortz die Yogaklasse und entlässt die Damen beschwingt und ein bisschen beweglicher – im Körper und im Geist.

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