Workshop in Neuss Mit Mut gegen Stammtischparolen

Neuss · Zwei Schauspieler haben jetzt in einem Workshop im „Caritashaus International“ in Neuss gezeigt, wie man in kritischen Situationen handlungsfähiger wird. Das Motto war hochaktuell: „Hinschauen und nicht weggucken“.

 Die beiden Schauspieler Jürgen Albrecht und Karin Kettling sowie Dorota Hegerath von der Caritas (v.l.) führten durch den Workshop.  ngz-foto: woi

Die beiden Schauspieler Jürgen Albrecht und Karin Kettling sowie Dorota Hegerath von der Caritas (v.l.) führten durch den Workshop. ngz-foto: woi

Foto: Andreas Woitschützke

Am Anfang stand die überraschende Frage: „Hatten Sie schon einmal zu viel Mut?“ Auswege aus bedrückenden Zwangslagen zu finden, dafür stand jetzt im „Caritashaus International“ in Neuss ein kompletter Nachmittag auf dem Programm.

Dem Kölner Schauspieler Jürgen Albrecht zur Seite stand beim Workshop seine Berufskollegin Karin Kettling aus Oberhausen. Das ambitionierte, hochaktuelle Thema lautete „Hinschauen und nicht weggucken – Argumente gegen Stammtischparolen“. Im gebotenen Abstand wurde zum Tel durchaus kontrovers diskutiert, dafür sorgten allein schon die eingebauten Rollenspiele.

Bald stellte sich heraus, dass es mit dem Mut so eine Sache ist, wenn im eigenen Umfeld mit dem Brustton der Überzeugung krasse Standpunkte vertreten werden. Oft sind nicht sofort Gegenargumente zur Hand. „Mir fallen oft erst welche ein, wenn ich zu Hause bin und es zu spät ist“, bekannte eine Workshop-Teilnehmerin. Die beiden eloquenten Schauspieler wussten guten Rat, wie auf der Stelle zu reagieren ist, schätzten es aber sehr, wenn die Besucher schrittweise selbst darauf kamen.

„Es gibt Gegenstrategien“, betonte Jürgen Albrecht einleitend, „sie können kontern“. Das war nichts weniger als eine auferlegte Verpflichtung. Wie solle man aber reagieren, wenn einem entgegen schallt: „Du sprichst aber gut Deutsch“, beklagte die Flüchtlingsberaterin Bengü Erdogan. Auf dieses vergiftete Lob möchte die hierzulande sozialisierte Flüchtlingsberaterin gern sachlich reagieren.

Beate Fiedler von der Caritas fügte an, „dass auch gestandene Leute ein festgezurrtes Weltbild pflegen, in dem offener Rassismus seinen festen Platz hat“. In einer anderen Wortmeldung wurde die ständig wiederholte Frage beklagt, woher beispielsweise ein dunkelhäutiger Mitbürger kommt. Oft löse die Antwort „aus Neuss“ dann große Verwunderung aus. Was soll also eine gelungene Integration bringen, wenn die Vorbehalte immer noch existieren?

Die beiden von Professor Klaus-Peter Hufer von der Universität Essen-Duisburg geschulten Referenten zeigten ein Schauspiel. Rhetorisch brillant und didaktisch geschickt setzten sie mit einer Theatereinlage ein provozierendes Ausrufezeichen. Ein „Herr Schröder“ fungierte dabei als wahres Ekel, das sich vehement gegen Ausländer in der Nachbarschaft einsetzt. „Sie sollen weg, einfach weg“, darin gipfelte seine hasserfüllt intolerante Position. Karin Kettling als „Frau Mutig“ hatte wiederum den Part einer sehr viel freundlicheren Nachbarin und sammelte argumentativ Punkt um Punkt.

Und damit war das Angebot von Lösungen im Spiel. Bedrücktes Schweigen soll von nun an keine Lösung mehr sein. Einmal durchatmen statt auf Konfrontation zu gehen – damit ist ein Anfang gemacht. Von eingeschüchterter Ohnmacht wird der Schritt zur Handlungsfähigkeit unternommen. Dorota Hegerath freute sich: „Der Workshop kam genau zur rechten Zeit.“

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