Museumsinsel Hombroich Ein Asyl für die Kunst

Neuss · Das frühere Wohn- und Atelierhaus des Malers Gotthard Graubner wurde ein neuer Ausstellungsort der Stiftung Insel Hombroich.

 Für den freien Blick auf das Grauber-Haus wurden auch die Böschungen von Laub befreit und neue Wege angelegt.

Für den freien Blick auf das Grauber-Haus wurden auch die Böschungen von Laub befreit und neue Wege angelegt.

Foto: Helga Bittner

Georg Schmidt waren keine Grenzen gesetzt. „Der Künstler durfte sich in der Sammlung bedienen“, erklärt Frank Boehm, Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich, der aber dennoch froh darüber ist, dass der Künstler viele der Kunstwerke aus dem zurzeit geschlossenen Labyrinth in der neuen Ausstellung an einem neuen Ort präsentiert. Denn das frühere Wohn- und Atelierhaus des vor fünf Jahren gestorbenen Malers und Wegbegleiters des Hombroich-Gründers Karl Heinrich Müller, Gotthard Graubner, gehört jetzt wieder der Stiftung, wurde renoviert und ist nun zu einem zusätzlichen Ausstellungspavillon geworden.

Dass das Gebäude, das fortan den schlichten Titel „Graubner-Haus“ trägt, auch ein Ersatz für das Labyrinth sein wird – ein zentrales Ausstellungshaus auf der Insel, das wegen der Sanierungsarbeiten voraussichtlich drei Jahre geschlossen bleibt –, war durchaus geplant. Nachdem nämlich die Lebensgefährtin Graubners, Kitty Kemr, laut Boehm kein Interesse mehr zeigte, den Nachlass des Malers auf der Insel zu lassen. Inzwischen hat Kemr dafür Räume in Düsseldorf angemietet.

Die ehemaligen Wohnräume des Künstlerpaars von rund 300 Quadratmetern wurden zu Ausstellungsräumen gemacht. Die großen Fenster leicht abgedunkelt, der Kamin herausgenommen, aber ansonsten blieb es beim Schnitt der Wohnung. Sogar die Spuren der Küchenzeile oder einer großen Platte vor der früheren Kaminwand sind noch zu sehen. Das Atelier selbst ist allerdings nicht zugänglich, sondern wird von der Stiftung für die eigene Arbeit genutzt.

 Frank Boehm, Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich, vor der Kunst eines Schwitters und Corinth.

Frank Boehm, Geschäftsführer der Stiftung Insel Hombroich, vor der Kunst eines Schwitters und Corinth.

Foto: Helga Bittner

Für die Konzeption der Ausstellung im Graubner-Haus hat die Stiftung einen unter den mit ihr befreundeten Künstlern gesucht. Dass es Georg Schmidt wurde, freut Boehm auch aus einem anderen Grund: „Er ist ein Schüler von Gotthard Graubner“, sagt er. Nicht nur das, erzählt Schmidt, denn er hatte Karl Heinrich Müller und Gotthard Graubner schon bei der Hängung im Labyrinth geholfen. Für ihn ist die Ausstellung dort „eingefroren“, komme einer „geistigen Formulierung“ gleich, die er im Labyrinth auch nicht in Frage stellen würde. Aber die Anfrage der Stiftung bot die Chance, nach neuen Zusammenhängen zu schauen, fand er.

 Das Pferd aus der Han-Dynastie stand mal im Labyrinth.

Das Pferd aus der Han-Dynastie stand mal im Labyrinth.

Foto: Helga Bittner

So hat der Maler zwar einige der Exponate aus dem Labyrinth ausgewählt, aber: „In einem anderen Raum, mit neuem Licht und gewechselter Nachbarschaft verändert sich das Gespräch zwischen den Arbeiten. Die Neukonfiguration und Nähe der Kunstwerke lässt Farbbeziehungen, wie in einem Bild, wirksam werden. An diesem Thema kristallisiert sich meine Auswahl und Struktur der Hängung.“ Manches habe sich erst beim „schauen, platzieren, wieder schauen“ entwickelt, sagt er.

Zum Beispiel die Platzierung einer sehr kleinen Graubner-Arbeit hoch oben an der Wand mit einem Pferd aus der Han-Dynastie (China, 206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) unter Glas und dem „Bildnis Herr und Frau Goeritz“ von Lovis Corinth. Im Haar der Frau dominiert die Farbe Orange – ebenso wie beim Pferd und der Graubner-Arbeit: „Das hebt das Blau in der Mitte des Corinth-Gemäldes hervor“, sagt Schmidt.

So kommen auch Kunstwerke wieder zu Ehren, die seit vielen Jahren im Depot der Stiftung liegen. Papierarbeiten von Graubner zum Beispiel, die in einer Art Kabinett hängen. Oder ein kleines weißes Jade-Objekt, das Schmidt nach den Worten Boehms sehr oft gezeichnet hat. „Stimmt“, sagt Schmidt, „Müller hatte es in seiner Wohnung, und ich war von Beginn an fasziniert, weil es eine gewisse Zeitlosigkeit hat.“ Die applizierten Kreise und Rechtecke an den Seiten des Objekts stehen für ihn in Beziehung zu den Arbeiten eines Karl Schwitters oder Hans Arp an den Wänden. Allerdings hängen und stehen sämtliche Kunstwerke wie in Hombroich üblich ohne jede Erklärung da.

Wie lange die Ausstellung im Graubner-Haus zu sehen sein wird, steht nicht fest, sagt Boehm. Drei Jahre habe man schließlich Zeit, um zu überlegen, wie es genutzt werden kann. „Vielleicht wird dann die Kunst aus dem Zwölf-Räume-Haus dort einziehen“, sagt er, denn die Stiftung wird dank der Unterstützung aus öffentlicher Hand Zug um Zug die Pavillons sanieren. Auf jeden Fall bleibt das Graubner-Haus ein zugänglicher Pavillon, davon zeugen schon die neu angelegten Wege nach den Plänen des Hombroicher Landschaftsarchitekten Burkhard Damm und der offene Blick auf das Gebäude.

Die Exponate aus dem Labyrinth werden wieder umziehen, sobald die Arbeiten in dem Pavillon abgeschlossen sind. „Alles wird wieder genau so, wie es war“, versichert Boehm, denn extra für diesen Fall haben Handwerker eine „Hausmannslösung“ (Boehm) erfunden: So bleiben sämtliche Bohrlöcher sichtbar, auch wenn die Wände für den Einbau einer Heizung aufgestemmt werden müssen: „Die Borsten eines Besens werden hineingesteckt“, sagt Boehm, „denn sie lassen sich einfach wieder herausziehen.“ Dass die Wände dafür ganz genau ausgemessen wurden, habe die Volontäre der Stiftung allerdings eine ganze Weile beschäftigt, ergänzt er schmunzelnd.

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