Essity-Werk in Neuss Wo Tempo-Taschentücher ihr Zuhause haben

Neuss · Das Tempo-Papiertaschentuch gibt es seit 90 Jahren. Erfunden wurde es, um Keime und Bakterien einzudämmen. Seit 1960 wird es im Werk an der Floßhafenstraße in Neuss produziert.

 Dieses Tempo-Produktbild stammt aus den 1930er Jahren.

Dieses Tempo-Produktbild stammt aus den 1930er Jahren.

Foto: Essity

Es ist ein eher schnöder Verwaltungsakt, der am 29. Januar 1929 beim Reichspatentamt in Berlin vollzogen wird. Oskar Rosenfelder, Mitbesitzer der Vereinigten Nürnberger Papierbetriebe, lässt sein Papiertaschentuch registrieren. Der Name: Tempo. Er passt in die aufgrund des technischen Wandels und durch die Industrialisierung von Geschwindigkeit geprägte damalige Zeit, und diese Marke – Tempo – lässt nicht nur die Ära des Stofftaschentuchs langsam ausklingen. Sie wird auch zum Inbegriff für das Papiertaschentuch schlechthin. Heute gehört Tempo zum Unternehmen Essity – und produziert werden Deutschlands bekannteste Taschentücher in Neuss.

Jährlich verlassen rund 112.000 Tonnen Hygienepapier das 1960 erbaute Werk an der Floßhafenstraße, in dem rund 430 Mitarbeiter beschäftigt sind. Neben Tempo wird auch Zewa in Neuss hergestellt, hinzu kommen verschiedene Handelsmarken. Wenn irgendwo in Deutschland eine Nase schnieft oder ein Saftfleck in der Küche weggewischt werden muss, dann stehen die Chancen gut, dass dies mit einem in der Quirinus-Stadt hergestellten Produkt geschieht. „In Neuss werden rund 20 Milliarden Tempo-Taschentücher pro Jahr produziert“, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Und zwar in allen Varianten, die es gibt – zum Beispiel mit Mandelöl und Aloe Vera oder mit Eukalyptus-Atemfrei-Öl. Inzwischen werden die Taschentücher auch als waschmaschinenfest vermarktet.

 Im Essity-Werk in Neuss werden die Tempo-Taschentücher – neben weiteren Hygienetüchern – hergestellt.

Im Essity-Werk in Neuss werden die Tempo-Taschentücher – neben weiteren Hygienetüchern – hergestellt.

Foto: Essity

Oskar Rosenfelder betrachtete sein Papiertaschentuch als Beitrag zur Verbesserung von Hygiene und Gesundheit. Seine Idee: Durch die direkte Entsorgung des Taschentuchs werden Bakterien und Keime eingedämmt, das führe zu einem geringeren Ansteckungsrisiko. Das Geschäft wuchs. 1935 wurden pro Jahr 135 Millionen Tempo-Taschentücher produziert, bis Ende der 1930er Jahre kletterte die Zahl auf mehr als 400 Millionen Stück an. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr die Marke einen enormen Wachstumsschub, seit 1949 wird auch ins Ausland geliefert. Inzwischen ist die Marke in vielen Ländern der Welt im Handel.

Der Siegeszug, den das Produkt angetreten hat, zeigt sich auch im Sprachschatz. So wie Uhu für Klebstoff steht, ist Tempo zum Synonym für das Papiertaschentuch geworden. „Generische Verselbständigung“ wird eine solche Markenbekanntheit von Experten genannt – und das ist auf einem umkämpften Markt etwas durchaus Wertvolles. Allerdings sagen Kunden durchaus auch dann „Tempo“, wenn sie ein ganz anderes Papiertaschentuch kaufen. Zwei Dinge sind daher für die Marke wichtig: Qualität und Innovation. So verbucht Tempo die Erfindung der sogenannten Z-Faltung für sich, die seit 1975 dafür sorgt, dass man die Tempo-Tücher mit einer Hand auseinanderschütteln kann. Heute ist das längst Branchenstandard. 1988 kam die wiederverschließbare Packung hinzu, in den 90er-Jahren die Taschentuch-Box, dazu wuchs die Produktfamilie.

Und dann ist da noch die Präsentation der Marke. Es gab Comic-Editionen, in den 1990er Jahren zierte zum Beispiel Kultkater Garfield die Verpackungen, im Jahr 2000 gab es eine Sonderedition mit Zeichnungen von Loriot, darunter auch das berühmte Bild der Herren in der Badewanne. Eines aber ist über all die Jahre geblieben: der geschwungene Schriftzug. Daran wurden nur kleinere Adaptionen vorgenommen.

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