Vortrag über Separatisten in Neuss Als Stacheldraht das Rathaus schützte

Neuss · Vor gut 50 Zuhörern beschrieb Martin Schlemmer vom Landesarchiv NRW die Chronik, Ideen und Motive der Separatisten nach dem Ersten Weltkrieg. Auch in Neuss kam es damals zu chaotischen Szenen.

 Zum Schutz des Neusser Rathauses vor den Separatisten legte die Feuerwehr im Oktober/November 1923 auch Stacheldrahthindernisse an.

Zum Schutz des Neusser Rathauses vor den Separatisten legte die Feuerwehr im Oktober/November 1923 auch Stacheldrahthindernisse an.

Foto: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland

„Rheinland den Rheinländern!“ – eine Überschrift, die die NGZ im Juni 1919 verwendete. Eine Überschrift, die die aufkommende Separatistenbewegung nach dem Ersten Weltkrieg zusammenfasst. Zu diesem Thema gab es  im Stadtarchiv Neuss jetzt einen Vortrag von Martin Schlemmer unter dem Titel „Wir verlangen den rheinischen Freistaat – Die Rheinstaatbestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg in Neuss“ . Organisiert wurde die Veranstaltung vom Forum Archiv und Geschichte Neuss.

Vor gut 50 Zuhörern beschrieb Schlemmer vom Landesarchiv NRW die Chronik, Ideen und Motive der Separatisten und ihre Bestrebungen zur  Loslösung von Preußen. Während der Novemberrevolution 1918 keimte zum ersten Mal der Gedanke nach einem autonomen Rheinstaat auf.  Das Rheinland war von Belgien, Frankreich, Großbritannien und auch den USA besetzt. Neuss befand sich in der belgischen Besatzungszone. Nun wollte die Bevölkerung und das Rheinland weder als Pufferzone zwischen Frankreich und Preußen fungieren, noch von einem anderen Nachbarland eingenommen werden.

 Beim Vortrag im Stadtarchiv (v.l.): Martin Schlemmer, Jens Metzdorf und Simon Hopf.

Beim Vortrag im Stadtarchiv (v.l.): Martin Schlemmer, Jens Metzdorf und Simon Hopf.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

1919 lieferte US-Präsident Woodrow Wilson mit der Verwendung des Begriffs „Selbstbestimmungsrecht“  eine weitere Motivation und Rechtfertigung für das Bestreben nach Autonomie. Das Ziel, „das Los von Berlin“, konnte über zwei Wege erreicht werden: Ein legales Streben nach Autonomie und ein illegales Streben, was zu damaliger Zeit dem Tatbestand des Hochverrats gleichkam. Der Gedanke, einen Rheinstaat zu gründen, wurde von den katholischen Pfarrgemeinden unterstützt. Eine Trennung vom protestantischen Preußen lag im Interesse der katholischen Kirche.

So sehr der Gedanke auch einte, eine genaue Planung oder einheitliche Verwaltung gab es nicht. In der Bevölkerung fand der Separatismus wenig Anklang. Zum größten Teil wollte man keine komplette Loslösung von der Regierung in Berlin.

Die Brennpunkte für die extremen Bewegungen waren Aachen, Bonn, Koblenz, Trier und Wiesbaden.  Dort haben die Separatisten versucht, die Bevölkerung mit Gewalt von ihrer Sache zu überzeugen. Am 21. Oktober 1923 wurde das Rathaus in Aachen gestürmt und dort der Rheinstaat proklamiert. Auf den Straßen kam es zu Gewalt, die Separatisten versuchten wichtige Gebäude in anderen Städten einzunehmen. So musste das Neusser Rathaus von Beamten und der Feuerwehr im Rahmen der Möglichkeiten geschützt werden. Auf Schusswaffen konnte nach dem Versailler Vertrag nicht zurückgegriffen werden, weshalb die Feuerwehr mit Wasserwerfern als Verteidigung diente. Am Ende mussten die Separatisten ihre Bestrebungen aufgeben. Mangelnde Unterstützung aus der Bevölkerung sowie das Heraushalten der Besatzungsmächte haben der Bewegung ein Ende gesetzt.

Nach dem Vortrag gab es die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich untereinander auszutauschen. Im Stadtarchiv Neuss finden mehrmals im Jahr Vorträge und Informationsveranstaltungen statt, für die man sich beim Forum Archiv und Geschichte Neuss anmelden kann. Im Zuge der historischen Verbundenheit mit Belgien findet am 11. November eine Exkursion zu den belgischen Friedensfeiern statt.

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