Jubiläumsfeier in Neuss VHS – Bildungsmotor und Facebook-Gegenpol

Neuss · Hundert Jahre Volkshochschule – das wurde im Romaneum mit einem Festakt gefeiert. Dabei wurden die Stärken der Volkshochschule betont.

 Stießen auf „100 Jahre Volkshochschule“ an (v.l.): Bürgermeister Reiner Breuer, Christel Voß-Goldstein (ehemalige VHS-Leiterin), Schul- und Kulturdezernentin Christiane Zangs, Peter Hommers ( ehemaliger VHS-Leiter) und die derzeitige Leiterin Marie Batzel.

Stießen auf „100 Jahre Volkshochschule“ an (v.l.): Bürgermeister Reiner Breuer, Christel Voß-Goldstein (ehemalige VHS-Leiterin), Schul- und Kulturdezernentin Christiane Zangs, Peter Hommers ( ehemaliger VHS-Leiter) und die derzeitige Leiterin Marie Batzel.

Foto: Andreas Woitschützke

„Richtig alt ist man erst, wenn der Bürgermeister persönlich gratuliert“, scherzte Bürgermeister Reiner Breuer, der zur Jubiläumsfeier „100 Jahre Volkshochschule Neuss“ ins Romaneum gekommen war. Alt mag sie sein, die Bildungseinrichtung, aber schwach und gebrechlich ganz sicher nicht – das sollte im Laufe des Abends immer wieder deutlich werden.

Unter den Besuchern waren auch VHS-Urgesteine wie Brigitta Boylen-Hayes, die seit 50 Jahren Englisch unterrichtet, und Peter Hommers (83), der die VHS von 1974 bis 1999, also genau 25 Jahre lang leitete. Für die zuständige Dezernentin Christiane Zangs ist sie „ein beliebter Treffpunkt, der die Stadt belebt“. Und sie erklärte, wie unverzichtbar die Volkshochschule immer noch ist: „Als die vielen Flüchtlinge aus Syrien kamen, haben die allermeisten Sprachkurse hier stattgefunden – die VHS hat damit wesentlich zur Integration dieser Menschen beigetragen.“

Zangs weiß, dass die Angebote auch schon mal belächelt werden. Dem hielt sie entgegen: „Ein Klöppelkursus ist gut für die Konzentration.“ Ralph Zinnikus von der Bezirksregierung verbindet mit den Volkshochschulen die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens. Der Historiker beklagte zwar, dass die Volkshochschulen es nicht geschafft hätten, „die braunen Massen in der Weimarer Republik aufzuhalten“, aber die Nazis hätten vor der Bildungseinrichtung Angst gehabt und die Volkshochschulen schnell verboten.

Zinnikus bezeichnete die Volkshochschulen als „Gewächshäuser der Demokratie“. Ulrich Klemm war als Geschäftsführer des VHS-Verbands Sachsen und als kenntnisreicher Visionär eingeladen worden. Die Volkshochschulen sind für ihn „bürgerschaftliche Ermöglichungsorte“, die unbedingt eine Zukunft hätten. Gesellschaftliche Teilhabe und Zusammenhalt, Chancengleichheit, Bildung für alle, das waren Schlagworte in seiner Rede. Sein Credo: „Wenn es die Volkshochschulen nicht gäbe, müssten sie erfunden werden.“

Spannend wurde es, als Christoph Deeg zu Wort kommen sollte. Er berät weltweit Kultur- und Bildungsinstitute zu analog-digitalen Strategien und sollte aus Chile live zugeschaltet werden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war er schließlich auf der riesigen Leinwand zu sehen und zu hören. Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Sein Credo: „Die Technologie löst kein Problem, wir brauchen deshalb die Vernetzung zwischen Digitalem und Analogem.“ Eine Frage in diesem Zusammenhang: „Wie kann ein Kreislauf zwischen digitalem und analogem Lernen hergestellt werden?“ Der Tipp des gutgelaunten Fachmannes zum Schluss: „Machen Sie was Analoges – Champagner kann man nicht digital trinken.“

Der Architekt Aat Vos dozierte über „den dritten Ort“ neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz. Die Volkshochschule könne so ein Ort für alle sein, sie müsse zu einer Art Gegenbewegung zu Facebook werden. Bürger müssten ihre Wünsche noch stärker einbringen können. Aat Vos hätte auch gerne noch mehr kostenlose Angebote. Und es werde künftig neue Lernmodelle geben.

Die VHS-Leiterin Marie Batzel sieht bei allen möglichen Innovationen die Kurse nicht als Auslaufmodelle. Und sie machte darauf aufmerksam, dass sehr viele Kursangebote, insbesondere Vorträge, im Gegensatz zu vielen anderen Volkshochschulen, kostenlos angeboten werden. Auch das ist ein Anreiz, die VHS kennenzulernen.

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