Sven Giegold zu Gast in Neuss Grüne eröffnen Europawahlkampf

Neuss · Der erfahrene EU-Politiker Sven Giegold (Die Grünen) lieferte in der Alten Post eine Werbeveranstaltung für die europäische Idee. Nachholbedarf sieht er vor allem bei der nachhaltigen Agrarpolitik.

 2008 wurde Sven Giegold – hier in der Alten Post – Mitglied der Grünen. Seit Juni 2009 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament.

2008 wurde Sven Giegold – hier in der Alten Post – Mitglied der Grünen. Seit Juni 2009 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament.

Foto: Woitschuetzke,Andreas (woi)

„Starkes Europa oder rechtes Europa“: Sven Giegold, seit 2009 für die Grünen im Europa-Parlament, zeigt sich trotz des Rechtsrucks vor allem in Ländern wie Ungarn und Rumänien zuversichtlich, dass die Abgeordneten, die für Europa sind, nach den Wahlen im Mai die Mehrheit behalten werden. Grüne und Liberale würden an Bedeutung gewinnen, so die Prognose des 49-Jährigen im Café Alte Post. Was das für seine Fraktion bedeutet: „Wir werden härter verhandeln, aber auch Kompromisse machen müssen.“

Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was Giegold sagt, aber sein Vortrag war eine beeindruckende Werbeveranstaltung für die europäische Idee. Die aktuelle Stimmung der Menschen beschrieb Giegold so: „Die Leute machen sich große Sorgen, was jetzt kommt. Überall treten Kräfte in Erscheinung, die Europa nicht gut finden.“ Dass Europa besser ist als sein Ruf, steht für Sven Giegold außer Frage. „Ohne Europa gäbe es kein Pariser Klimaschutzabkommen“, gab er zu verstehen. Allgemein gelte: „Europa ist viel progressiver als seine Mitgliedsstaaten.“

Europäisches Naturschutzrecht habe bewirkt, dass Naturräume erhalten werden konnten. Giegold griff Vorurteile auf und entkräftete sie. „Europa dient doch nur der Wirtschaft“, höre er immer wieder. Die Wahrheit beschrieb er so: „Europa ist zu allererst ein Friedensprojekt. Er zeigte aber auch bestehende Defizite auf: „Wir müssen uns stärker für eine nachhaltige Agrarpolitik einsetzen.“ Zuschüsse dürfe es nur geben für Landwirte, die strenge Standards einhalten.“ Außerdem müssten in Europa soziale Mindeststandards eingeführt werden.

Immer wieder bewies Giegold etwas, was mittlerweile Politikern oft abgesprochen wird, nämlich Realitätssinn: „Wir müssen nicht alles vereinheitlichen im sozialen Bereich.“ Ein Problem, auf das er aufmerksam machte: „Bei einem Beitritt in die EU wird auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geachtet. Wenn ein Land aber erst einmal Mitglied ist, hat man kaum Handlungsmöglichkeiten, wenn es sich von Rechtsstaatlichkeit entfernt.“ Diesen Ländern Fördermittel vorzuenthalten, würde die Bevölkerung noch stärker gegen die EU aufbringen. Der Politiker empfahl folgende Vorgehensweise: „Die Europäische Kommission sollte diese Fördergelder vergeben.“ Dadurch werde auch verhindert, dass Regierungen mit Demokratiedefiziten EU-Gelder an ihre Günstlinge verteilen. Eine andere Idee im Zusammengang mit der Flüchtlingskrise: „Kommunen, die Flüchtlinge aufnehmen und sich um deren Integration bemühen, sollte eine direkte finanzielle Hilfe von der EU bekommen.

In der Europapolitik spielt für Giegold Kompromissbereitschaft eine große Rolle. Man müsse fair streiten. In diesem Zusammenhang lobte er das CDU-Europa-Urgestein Elmar Brok, der seinen sicheren Listenplatz verloren hat: „Er hat sich immer für ein soziales Europa eingesetzt und er war ganz klar ein Pro-Europäer. Giegold schwebt eine Europäische Republik vor. Die Macht des Europaparlaments sei groß: „Das erkennt man nicht zuletzt an den vielen Lobbyisten.“ Er lobte das Erasmus-Programm, das die Karrierechancen von Studenten durch Auslandsaufenthalte verbessern soll. „Es sind bereits eine Million Erasmus-Babys geboren worden“, freute sich der 49-Jährige. So werde der Europäische Gedanke konkret in die Familien getragen und werde auf diese Weise immun gegen rechtes Gedankengut.

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