Stunk vom Theater am Schlachthof in Neuss Ziemlich geneussbar

Neuss · Glenn Freys Song „The Heat ist on“ markiert den Anfang von drei Stunden Programm, das vom Autorenteam Martin Maier-Bode (auch Regie), Sabine Wiegand und Jens Neutag so neusserisch wie selten geschrieben wurde.

 Zum Abschluss des Neusser Menus werden als Dessert noch „Wendersplätzchen“ serviert.

Zum Abschluss des Neusser Menus werden als Dessert noch „Wendersplätzchen“ serviert.

Foto: Jagna Witkowski

Nebel wallt, aus dem Off erklingt eine Art Gregorianischer Gesang, sechs Männer in Mönchskutten kreuzen – die Hände wie zum Gebet vor der Brust gefaltet – die Fläche. Ist das wirklich der Stunk? Der verspricht, eine „Hoppeditz-Guerilla“ zum Thema „Rosenmontag for Future“ zu gründen? Spätestens, wenn der Bischof in roten Pumps seine Ansprache hält, tanzt und singt, ist klar: „The Stunk is on“!

Glenn Freys Song „The Heat ist on“ markiert den Anfang von drei Stunden Programm, das vom Autorenteam Martin Maier-Bode (auch Regie), Sabine Wiegand und Jens Neutag so neusserisch wie selten geschrieben wurde. Denn im Quirinusmünster geht es los. Mit dem Kanrevalssymbologen Shortdon (Jens Kipper) und der französischen Journalistin Sophie Niveau (Franziska Lehmann), die sich laut einer Weissagung von St. Quirin auf die Suche nach „neun Helden“ begeben, die die Welt retten sollen.

Der Weg ist das Ziel, auch beim Stunk des Theaters am Schlachthof in der Wetthalle, denn was begegnet dem Zuschauer nicht alles: russische Agenten mit Codenamen Weißer Hai (Dennis Prang) und Schlappe Qualle (Sabine Wiegand), Arbeitsvermittler wie der windige Harry (Harry Heib), radebrechende Pflegekräfte wie Olga (Franka von Werden), untherapierbare Nazis wie Rüdiger (Jens Spörckmann), eine salafistische Familie, die für die ARD das „Wort zum Sonntag“ spricht oder unersetzbare Stunkfiguren wie die patente Putze Frau Zwonkowski (Carolin Stähler), Dat Rosi (Wiegand) und Heinz Allein (Heib).

Fast ist man versucht zu sagen, der Stunk ist wie immer kurzweilig, bissig, schwungvoll... und ist dennoch jedes Mal aufs Neue erstaunt, wie das Ensemble es schafft, zu überraschen. Allein bei den Songs, gespielt von der Dee Band, aus den Charts von einst und heute, die Wiegand mit wunderbaren neuen Texten versehen hat und die etliche Nummer abschließen. Und deren Interpreten natürlich, wobei Stunk-Neuling Franka von Werden stimmlich und schauspielerisch zeigt, dass sie mehr als „nur“ Ersatz für Ilva Melchior ist: Sie gehört dazu, für jetzt und immer! Sollte sich die Stunk-Familie hinter die Ohren schreiben...

Szenisch reiht sich eigentlich ein Höhepunkt an den anderen. Aber ein bisschen ragen dann doch zwei heraus: die Köche mit der sprachlichen Verballhornung der Neusser Stadtteilnamen (wer weiß schon, wie Rosellen aussehen?) und der Besuch bei Asterix und Obelix, wo Merkelnix, Macronix, Kurzsichtix, Orbanix und von der Leyenballa sich über Johnsonnix’ Austritt echauffieren. Die „Römerversammlung“ in der EU gehört zweifellos auch visuell zu den Besonderheiten. Britta Bremer hat mit Hilfe von Tina Bundkirchen tolle Kostüme entworfen und genäht. Insgesamt sind es übrigens 80.

Bernd Farbers wandelbares Bühnenbild ist der ideale Spielort, so viele Themen und Szenen unter einen Hut zu bringen. Nichts lenkt ab, um jedes Wort zu verfolgen, ob gesprochen oder gesungen. Wäre auch zu schade, denn der Stunk stellt Politiker und deren Weisheiten ebenso gnadenlos bloß wie er den Alltag des Zuschauers in Alexa- und Siri-Zeiten konterkariert.

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